Herford. (MP) Nachdem die Mark Dion Ausstellung im Marta Herford beendet, verpackt und nach Holland geschickt wurde, folgt nun die nächste: Mit „Magie und Macht“ lockt Marta vom 27. Februar bis zum 5. Juni 2016 nach Herford.
Zeitgenössische Kunst im Mittelpunkt
In den Gehry-Galerien wird „von fliegenden Teppichen und Drohnen“ mittels Fotografien, Videos, Skulpturen und Rauminstallationen erzählt. Beide Begrifflichkeiten scheinen zunächst nicht viel miteinander zu tun zu haben. Doch auch dieses Mal schaffen die Aussteller des Herforder Museums es, den Besucher in ihren magischen Bann zu ziehen. Der Betrachter verliert sich in 1001 Nacht, schwebt über den Dingen und kommt am Boden der bitteren Realität wieder an. Umfassend nähert man sich mit der neuen Ausstellung alten Zeiten und aktuellen Themen. Dies geschieht wie immer auf eine kunstvolle, abstrakte Art und Weise. Mit „Magie und Macht“ soll ein neuer Aspekt zu der bereits laufenden Ausstellung „Brutal schön“ aufgezeigt werden. Die neue Perspektive beschäftigt sich dabei ausschließlich mit zeitgenössischer Kunst. Die Ausstellung kommt leicht und heiter daher, wirkt fast schon poetisch. Doch (fast) jede Poesie verbirgt eine Botschaft. Hier soll es nicht um Propaganda oder Aufklärung gehen, vielmehr soll der Betrachter über das Gesehene nachdenken und sich seine eigene Meinung bilden.
„Magie und Macht“ basiert auf einer Ausstellung („Heaven and Hell“), die von März bis September 2015 in Brüssel zu sehen war. Die Boghossian-Stiftung hat dazu beigetragen, dass diese für Marta überarbeitet und umgestaltet werden konnte. So können sich nun auch Besucher des Herforder Museums ein eigenes Bild machen.
1001 Nacht und unbemannte Flugobjekte
Zunächst mag es fraglich sein, ob ein fliegender Teppich und eine Drohne überhaupt etwas gemein haben. Der Orient bildet immerhin einen auffälligen Kontrast zu dem, das wir heute kennen. Denkt man an das Morgenland, kommen einem wohl zuerst Bilder von 1001 Nacht und orientalischen Märchen wie Alibaba und die 40 Räuber oder Aladdin in den Sinn. Bei Drohnen hingegen denkt man an ein Flugobjekt, das scheinbar autonom – da unbemannt – durch die Weltgeschichte fliegt. Ein Auge, das sich losgelöst vom Körper erhebt: Das wiederum bedeutet, dass es für Beobachtung und Bedrohung gleichermaßen stehen kann. Gerade im Osten verbindet man Drohnen mit Gefahr. In Afghanistan werden sie bspw. als „Moskitos“ bezeichnet: Hört ein Kind dortzulande das typische Summen (wie das eines Moskitos), kann es nur hoffen, dass es sich nicht in ernster Gefahr befindet.
Das Magische (des fliegenden Teppichs) auf der einen Seite steht dem Mächtigen (der autonomen Drohne) auf der anderen Seite gegenüber. Gemeinsam ist beiden das Thema Fliegen, das die Menschheit seit jeher fasziniert.
Orient trifft auf Okzident: „Von fliegenden Teppichen und Drohnen“
Der Besucher wird durch eine großformatige Wandarbeit, die orientalische Ornamente und das Thema Drohne miteinander verbindet, begrüßt. Ein langer orientalischer Teppich, der eigens für die Ausstellung angefertigt wurde, lädt zum Eintreten ein. Er führt in den ersten von fünf Räumen und endet schwebend in der Deckenkonstruktion des Gebäudes. Fotografien, die Teppiche zeigen, die sich scheinbar als kulturelles Wesen selbst inszenieren, werden neben als Aquarellzeichnungen verfremdete Google Earth Aufnahmen, die Städte im Iran und den USA zeigen sollen, präsentiert. Diese Aufnahmen wirken von Weitem collagengleich, künstlerisch und kreativ. Doch die politische Botschaft, die Täter und Opfer nicht nur gegenüberstellt, sondern gar miteinander vereint, wird beim näheren Betrachten umso unheimlicher. Ein an einen fliegenden Teppich erinnerndes Objekt stellt ein Gebetbuch dar. Hierbei sollen nicht nur individuelle Reaktionen hervorgerufen werden. Das Kunstobjekt lädt zum Hinsetzen, Verweilen und Austausch mit anderen Besuchern ein. Ein Raumschiff, das auf den Besucher ausgerichtet ist, wirkt einerseits faszinierend, aber andererseits bedrohlich, da es förmlich auf den Betrachter zu reagieren scheint: Man fragt sich, ob man selbst beobachtet oder von der Maschine beobachtet wird. Das, was mittlerweile tagtäglich durch Drohnen passiert, wird hier durch programmierte Schaltung auf die Spitze getrieben. Ein ähnliches Objekt, eine an der Decke befestigte Drohne, die über dem Besucher schwebt, nimmt sogar Live-Bilder des Raumes und somit auch der umherwandernden Menschen auf. Diese Aufnahmen werden gleichzeitig auf einen Monitor übertragen. Der Mensch befindet sich in der heutigen Gesellschaft – bewusst oder unbewusst – unter ständiger Beobachtung. Dieser Fakt wird dem Betrachter der Ausstellung (schmerzlich) klar. Wägt man sich und seine Anonymität im Allgemeinen in der Masse sicher und gewahrt, können Drohnen die Privatsphäre schnell einschränken und somit sogar bedrohen. Ein weiteres Objekt zeigt einen Hybrid aus fliegendem Teppich und Drohne. Hier wurde das Thema der Ausstellung in einem Objekt vereint. Zudem konnten die Aussteller von Marta mit Panamarenko einen utopistischen Visionär gewinnen, der als Flugpionier gilt. Eine weitere Utopie, die immer Utopie bleiben wird, wird auf einem Teppich präsentiert: Die Anleitung dazu, wie man einen fliegenden Teppich fabrizieren sollte. Nur wenige Schritte daneben werden Orient und Okzident durch eine Installation vereint. Sie zeigt mehrere aufeinanderliegende Teppiche, aus denen der Umriss eines Militärflugzeuges herausgeschnitten wurde. In abgetrennten Räumen zeigen Videos, wie Drohnen ein Eigenleben zu führen scheinen und wie durch das schnelle Aneinanderreihen von Bildern einer Mini-Kamera, die an einem Falken befestigt wurde, eine „tierische“ Drohne zum Leben erweckt wird. Auch mit Ironie wird dem Thema Drohne begegnet: Bilder zeigen Drohnen, die ein „Selfie“ von sich machen, um dieses im Internet hochzuladen.
Publikationen zur Ausstellung
Diese und zahlreiche weitere Fotografien, Videos, Skulpturen und Rauminstallationen warten in der Ausstellung „Magie und Macht“ auf den Besucher. Begleitend dazu sind modulare Publikationen erhältlich: Zum einen gibt es einen Guide, der als gute Erinnerungsstütze bei Besuchern beliebt ist. Zusätzlich wird es Index-, Essay- und Show-Bände geben. Der Guide ist bereits jetzt für 6 Euro erhältlich.
Mehr Infos unter: http://marta-herford.de/
Fotos: Melissa Petring
Text: Melissa Petring