Via Nova Kunstfest Corvey 2022: Resümee des ersten Wochenendes

Der Schauspieler Wolfram Koch drückte aus, was alle empfanden: „Durch die ausgewählte Abstimmung der vorgetragenen Texte und musikalischen Stücke aufeinander entstand eine wunderbare Elektrizität, die sich auf die Zuschauer übertrug.“ Foto: Via Nova Kunstfest Corvey 2022

Der Schauspieler Wolfram Koch drückte aus, was alle empfanden: „Durch die ausgewählte Abstimmung der vorgetragenen Texte und musikalischen Stücke aufeinander entstand eine wunderbare Elektrizität, die sich auf die Zuschauer übertrug.“ Foto: Via Nova Kunstfest Corvey 2022

Höxter. Was ist Glück? Die Mottofrage des diesjährigen Via Nova Kunstfestes Corvey ließ sich für viele Zuschauer zumindest in einer Hinsicht schnell beantworten: Glück ist, beim soeben zuende gegangenen Eröffnungswochenende dabeigewesen zu sein. Zuschauer, Schauspieler und Musiker waren gleichermaßen begeistert. Der Schauspieler Wolfram Koch drückte aus, was alle empfanden: „Durch die ausgewählte Abstimmung der vorgetragenen Texte und musikalischen Stücke aufeinander entstand eine wunderbare Elektrizität, die sich auf die Zuschauer übertrug.“

Musikalische Variationen von Robert Schumann präsentierte der englische Cellist Steven Isserlis, begleitet von der kanadischen Pianistin Connie Shih mit fulminantem Einsatz. Foto: Via Nova Kunstfest Corvey 2022

Musikalische Variationen von Robert Schumann präsentierte der englische Cellist Steven Isserlis, begleitet von der kanadischen Pianistin Connie Shih mit fulminantem Einsatz. Foto: Via Nova Kunstfest Corvey 2022

Das war zu spüren bei der Lesung von Fritzi Haberland und Hans Löw, die mit Erzählungen des Norwegers Jon Fosse und des Franzosen Henri Alain-Fournier den vollbesetzten Kaisersaal in ihren Bann zogen. Zwei Erzählungen, die auf magische Weise nach dem Sinn von Leben und Tod fragten. Ihr Dialog wurde kongenial ergänzt durch musikalische Variationen von Robert Schumann, welche der englische Cellist Steven Isserlis, begleitet von der kanadischen Pianistin Connie Shih mit fulminantem Einsatz interpretierte. Das Publikum dankte mit stehenden Ovationen. Es war ebenso zu spüren bei den Exkursionen in die Klöster Bursfelde und Lippoldsberg, wo die Schauspielerin Sibylle Canonica mit hypnotisierender Intensität ein modernes Märchen von der biblischen Schlange der Autorin A.L. Kennedy erzählte und das Ensemble L‘Arpeggiata himmlische Sakralmusik des 17. Jahrhunderts in die Kirchengewölbe aufsteigen ließ.

Sibylle Canonica erzählte ein modernes Märchen von der der Autorin A.L. Kennedy. Foto: Via Nova Kunstfest Corvey 2022

Sibylle Canonica erzählte ein modernes Märchen von der der Autorin A.L. Kennedy. Foto: Via Nova Kunstfest Corvey 2022

Den geistigen Ausgangspunkt des gesamten diesjährigen Festivals bildete ein berühmter Text aus dem Mittelalter, der „Trost der Philosophie“ des spätantiken Philosophen Boetius, und der dazu verfasste Kommentar des Corveyer Abtes Bovo.

Wie aktuell beide Texte noch immer sind, wurde bewußt in der Eröffnungsrede des schottischen Dichters John Burnside, aufgrund seiner Covid-Erkrankung vorgetragen von seinem Übersetzer Iain Galbraith. „Ob es uns gefällt oder nicht, wir werden in fundamentaler, bisweilen auch unbewußter Weise von einer uns eingrenzenden Rationalität dirigiert, die den ungehinderten Ausdruck unserer Fähigkeiten und Kräfte einschränkt“, sagte Burnside. „Es bleibt der Fluch eines Lebens im industriellen Zeitalter, dass wir lediglich die Ratio sehen. Und so gelingt es uns zu leben in einer Welt mit Bäumen aus Plastik, ohne dabei zu erkennen, was wir verloren haben.“

Der Historiker Christian Vogel machte den Zuhörern noch einmal die aktuelle Bedeutung von Boetius bewußt: „Der Trost der Philosophie“ ist ein in Literatur gegossenes Bildungsmanifest, das „ein halbes Jahrtausend boetianisches Zeitalter eingeläutet und damit die Geschichte des lateinischen Westens nachhaltig geprägt“ hatte. Boetius gab eine bis heute gültige Bestimmung dessen, was wir unter Natur und unter Person verstehen und worin die theologisch bedeutsame Differenz zwischen Ewigkeit und Unendlichkeit besteht.

 „Es ist uns eine ganz besondere Freude, dass in diesem Jubiläumsjahr Via Nova wieder stattfinden kann“, sagt Hausherr Viktor Herzog von Ratibor. „Wir sind dankbar, dass die künstlerische Leiterin, Brigitte Labs-Ehlert, das so phantastisch kuratiert und dass wir so großzügige Unterstützung von vielen Förderern bekommen. Und vor allem, dass unser Publikum so begeistert mitgeht. Das hat man am ersten Wochenende bei allen Veranstaltungen gesehen und das ist für mich immer das allergrößte Glück.“ Und eine extra aus Düsseldorf angereiste begeisterte Zuschauerin ergänzte: „Für mich ist dieses Festival durch sein sehr hohes Niveau die Nummer eins in Deutschland.“

Das Programm des nächsten Wochenendes – u.a. mit der Uraufführung des Requiems „Ein Schmetterlingstal“ der Komponisten Thomas Kürstner und Sebastian Vogel nach Texten der dänischen Dichterin Inger Chistensen und einer Sonntagsmatineemit der Schauspielerin Martina Gedeck und dem Pianisten Sir András Schiff – finden Sie unter https://corvey.de/programm/via-nova-kunstfest-corvey-2022/