Ein außergewöhnliches Fachwerkhaus

FachwerkhausPetershagen (lwl). Die neue Eigentümerin des Fachwerkhauses an der Mindener Straße 14 in Petershagen (Kreis Minden-Lübbecke) staunte nicht schlecht, als sie neuere Verklei-dungen an Wänden und Decken entfernte: Nicht nur in der Stube kamen bemalte Fachwerkfelder zum Vorschein, die zur vermuteten Bauzeit um 1600 passten, auch auf der Längswand der Diele fanden sich Malereien. „Das ist aus dieser Zeit in Westfalen bisher völlig unbekannt“, so LWL-Bauforscher Peter Barthold. Deshalb hat der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) das Haus jetzt als Denkmal des Monats Juni ausgezeichnet.
Die Lage an der Ösperbrücke zwischen Petershäger Altstadt und Neustadt und eine archivalische Nachricht über ein „Zollschreiberhaus“ an der Ösper schürten bislang die Vermutung, es könnte sich dabei um dieses Haus handeln. „Die jetzt aufgedeckten Baubefunde geben dem Haus nun allerdings ein völlig neues Gewicht in der Ortsgeschichte. Es wird damit viel spannender“, erklärt Barthold. Neben der bauhistorischen Untersuchung des Hauses forschte er zur Besitzgeschichte unter anderem in den städtischen, kommunalen und Landesarchiven in Petershagen, Minden und Münster.

Die örtliche Geschichtsforschung kannte die Eigentümer des Hauses bisher nur bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts. Jetzt gelang es, die Eigentümer bis 1678 zurückzuverfolgen: Zu dieser Zeit waren es Vögte und Amtmänner aus den Familien Pfeil und Bonorden. Durch eine Heirat gelangte der Besitz dann 1738 in die Hände des Lübbecker Bürgermeisters Brüggemann. Mit der wiederholten Nennung von Amtmännern lag nun die Vermutung nahe, dass das Gebäude schon 1599 als Dienstwohnung für den damaligen Amtmann Johan von Staffhorst errichtet wurde.

1599 war für die Residenz der Fürstbischöfe von Minden in Petershagen ein wichtiges Jahr. Im Januar 1599 starb Bischof Anton von Schaumburg, der auf Schloss Petershagen residierte. Sein Nachfolger Christian von Braunschweig-Lüneburg ließ sich vor seinem Umzug von Celle nach Petershagen eine angemessene Wohnung im Schloss herrichten. Da die Amtmänner zuvor auch im Schloss wohnten, ist das Haus Mindener Straße 14 vermutlich ein Ersatzbau für die Dienstwohnung der Amtmänner. „Da die Amtmänner die höchsten Verwaltungsleute vor Ort waren, erweist sich das Haus damit als ein wichtiges, lange vergessenes Zeugnis der Geschichte von Petershagen“, so Barthold.

Hintergrund:

Zur Bauzeit hatte der etwa 16,50 Meter lange und 9,90 Meter breite, eingeschossige Fachwerkbau einen zweischiffigen Grundriss. Durch eine Tür im östlichen Straßengiebel kam man in die nördliche, rechte Haushälfte, die in gleicher Breite bis zum Rückgiebel reichte. Im südlichen Hausteil befand sich vorne eine unterkellerte Stube mit einer gleichbreiten Utlucht zur Straße, dahinter eine Küchenlucht, der sich eine ebenfalls unterkellerte Saalkammer anschloss.
Die vordere, über einem Gewölbekeller errichtete Stube wurde wohl als Amtsstube genutzt. Zur Belichtung des etwa 30 Quadratmeter großen Raumes befanden sich an der Süd- und Ostseite große bleiverglaste Fenster. Über einen Kachel- oder Eisenofen, der an einen Kaminblock am Westende angeschlossen war, konnte die Stube rauchfrei beheizt werden. Auf der anderen Seite des heute nicht mehr erhaltenen Kaminblocks befand sich in der Küchenlucht wohl ein offenes Herdfeuer.

Die Wand der Küchenlucht zur anschließenden, über einem Balkenkeller errichteten Saalkammer wies keine Türöffnung auf. Auf beiden Seiten dieser Wand befanden sich in allen Gefachen Bemalungen, von denen bis heute 18 Felder erhalten blieben. Sie sind mit Begleitstrichen und Eckdekor identisch mit den Bemalungen der fünf Felder an der Nordseite der Stubenwand. Die insgesamt erhaltenen 23 bemalten Fachwerkfelder sprechen im Zusammenhang mit im Boden gefundenen Putzresten dafür, dass ursprünglich alle Innenräume eine Bemalung der Wände aufwiesen. Die öffentliche Nutzung fand im vorderen Hausbereich, mit Vorraum, Stube und Küchenlucht statt. Im hinteren Hausbereich ist die Dienstwohnung des Amtmannes mit Saalkammer und seperater Küche anzunehmen.

Nach einem Besitzwechsel erfolgten 1819 weitreichende Umbauten. Durch den Einbau neuer Wände entstand ein Mittellängsflur, durch den drei neu geschaffene Zimmer erschlossen wurden. In Stube und Saalkammer entstanden durch Trennwände zusätzliche, schmale Räume, die vermutlich als Schlafzimmer genutzt wurden.

Das Haus in der Mindener Straße wurde nachweisbar von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis in das vorige Jahr nicht von den Hauseigentümern bewohnt, sondern vermietet. Einem jüdischen Eisenhändler folgten später ein Chirurg, ein Lehrer und in den letzten Jahrzehnten war hier eine Anwaltskanzlei ansässig. Die jetzige Eigentümerin Brunhilde Wagner plant eine behutsame, mehrjährige Instandsetzung und Modernisierung des Objektes. Dabei sollen die Amtstube und die erhaltenen Malereien für die Öffentlichkeit sichtbar bleiben.

BU: Das Haus Mindener Straße 14 von Nordosten. Im Hintergrund links ist das Alte Amtsgericht zu sehen.
Foto: LWL/Barthold