Wolgadeutsche Schicksale – Zeitzeugen im Gespräch

Detmold. Anlässlich des 100. Jahrestages der Autonomiegründung der Wolgadeutschen versammelten sich interessierte Gäste im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kultur am Sonntag“ im Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte Detmold um Zeitzeugenberichten zuzuhören.

20180128-Zeitzeugen_Zur Einstimmung wurden Ausschnitte des Dokumentarfilms „Wolgadeutsches Schicksal“ über den Dichter und politischen Aktivisten Dominik Hollmann gezeigt. Der Kulturreferent Edwin Warkentin hielt ein Impulsreferat über die Entstehung und Entwicklung der Wolgarepublik. Die Detmolderin Susanna Rehl, geb. Daubert (89) und Alexander Muth (92) aus Horn haben ihre Kindheit und Jugend in der Wolgarepublik verbracht. Eindrücklich schilderten sie dem interessierten Publikum ihre Erfahrungen aus diesen Jahren. Ihre Berichte veranschaulichten deutlich, dass trotz einer kulturellen Selbstbestimmung, was sich im freien Gebrauch der deutschen Sprache im Alltag, Beruf und Schule äußerte, diese Jahre für die meisten Menschen von schwersten Entbehrungen und Leid geprägt waren. Beide Zeitzeugen erinnerten sich an die katastrophalen Hungerjahre 1932/33 und daran, dass in dieser Zeit Menschen aus ihrem Umfeld und Familien den politischen Repressionen zum Opfer fielen. Als einschneidend für ihr weiteres Schicksal erlebten beide den Vertreibungserlass des Jahres 1941. Dennoch empfinden die Zeitzeugen nach wie vor Sehnsuchtsgefühle nach „der Wolga“. Nur der Wunsch der Kinder, lieber in die Bundesrepublik Deutschland auszusiedeln, hielt Alexander Muth davon ab, zurück in sein Heimatdorf Wiesenmüller zu gehen, als es bereits erlaubt war. Trotz Wehmut nach der alten Heimat bezeichnete Susanna Rehl ihr Leben jetzt als paradiesisch im Vergleich zu dem, was sie in den ersten Jahrzehnten ihres Lebens erlebt hatte.

Für alle, die der Veranstaltung nicht beiwohnen konnten, wird demnächst eine Aufzeichnung des Zeitzeugengesprächs auf der Internetseite des Museums veröffentlicht. Die Veranstaltungsreihe Kultur am Sonntag wird in Kooperation mit dem Kulturreferat für Russlanddeutsche angeboten und findet regelmäßig einmal im Monat statt. Zu einem Austausch zwischen Generationen über Bildung und Berufsperspektiven der Russlanddeutschen in der früheren Sowjetunion lädt das Museum am 11. Februar ein.

Fotos: © Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte