„Wir Lipper im Gespräch“ thematisiert Einwanderung

Wir Lipper 3Kreis Lippe. Miteinander sprechen, nicht übereinander – selten war der Titel der Veranstaltung „Wir Lipper im Gespräch“ so bezeichnend wie beim diesjährigen Jahresempfang des Kreises Lippe. Diesmal lautete das Thema „Einwanderung in Lippe – Chancen und Risiken“. Zahlreiche Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kulturverbänden fanden sich im Kreistagssitzungssaal in Detmold ein, um die vielschichtigen Facetten der Immigration zu diskutieren. Durch den Abend führte Lars Cohrs, Chefredakteur von Radio Lippe.

„Nach Lippe kommen junge Leute mit viel Potenzial, das wir nicht nur nutzen können, sondern angesichts des demografischen Wandels auch nutzen müssen“, erklärte Landrat Friedel Heuwinkel über  Chancen von Einwanderung in Lippe. Die Potenziale, die die Migration gerade für ländliche Region mit sich bringt, betonte auch Gastredner Kamuran Sezer vom futureorg Institut. Er sprach von „Einwanderern als unentdeckte Ressource“ für die Wirtschaft. Dabei berücksichtigte er auch, dass die durch Einwanderung hervorgerufenen Veränderungen Ängste bei der Bevölkerung auslösen können. „Veränderung ist immer noch ein negativ besetzter Begriff, der Unsicherheit vermittelt. Wo Schatten ist, ist aber auch Licht. Unsere Gesellschaft steckt in einem Multikulturisierungsprozess. Wir können entweder versuchen, das weiterhin zu ignorieren, oder wir können diesen Prozess gestalten und die sich daraus ergebenden Chancen ergreifen“, stellte Sezer fest.

Dass Schlagwörter wie demografischer Wandel und Einwanderung keine leeren Hülsen sind, zeigte die Podiumsdiskussion, an der sich neben Landrat Friedel Heuwinkel Vertreter aus Wirtschaft, Migrantenverbänden und der Lippischen Landeskirche beteiligten. Dachdeckermeister Daniel Blome aus Augustdorf berichtete beispielsweise von seinen Schwierigkeiten, den offenen Ausbildungsplatz in seinem Betrieb zu besetzen. Deshalb habe er sich um einen Auszubildenden aus Spanien bemüht. Über kulturelle oder sprachliche Probleme mache er sich dabei keine Sorgen: „Seit den 90er Jahren sind viele Russlanddeutsche nach Augustdorf gekommen, damit bin ich aufgewachsen. Das gab damals keine Probleme und das wird auch in Zukunft kein Problem sein.“ Im Gegenteil, auch Hanno Kempermann vom Institut der Wirtschaft in Köln ist sich sicher, dass gerade der Fachkräftemangel in Deutschland durch entsprechende Förderung von Zuwanderern behoben werden könnte. Dazu brauche es nur einen Anfang. „Wenn erste positive Erfahrungen von Arbeitgebern vorliegen, entwickelt sich eine Positivspirale: Das spricht sich rum und es sind immer mehr Betriebe bereit, mit Einwanderern zusammen zu arbeiten“, betonte er.

Um die Perspektive der Einwanderer zu vertreten, waren Dr. Katharina Neufeld, Leiterin des Russland-Deutschen Museums in Detmold, und Ismael Aytekin vom türkisch-deutschen Freundeskreis eingeladen. Beide waren sich einig: Sobald die Sprachbarrieren einigermaßen überwunden sind und der erste Schritt auf dem deutschen Arbeitsmarkt getan ist, geht die Eingliederung in die Gesellschaft sehr schnell. Weitere Teilnehmer der Diskussion waren Claudia Kloock vom Berufskolleg Lüttfeld und Kornelia Schauf von der Lippischen Landeskirche.

Um nicht nur „über“ Migranten zu reden, waren auch zwei afghanische Flüchtlinge eingeladen, die von ihren Erfahrungen berichten konnten. Obaid, 21, und Alireza, 23, besuchen zurzeit die multinationale Klasse des Berufskollegs in Lemgo-Lüttfeld. Im persönlichen Gespräch wurde deutlich, wie viel Potenzial in den beiden jungen Männern steckt: Obaid beispielsweise hat in Afghanistan sein Abitur gemacht, spricht – mit deutsch – acht verschiedene Sprachen und träumt davon, Polizist zu werden. „Talentierte junge Leute wie diese beiden Männer braucht Lippe!“, zog Landrat Friedel Heuwinkel das Fazit aus dem Abend.

Foto: Lipper im Gespräch: Die Gäste erlebten eine interessante Podiumsdiskussion. (c) Kreis Lippe