Unter Hochspannung

Stadtwerke sanieren Umspannwerk an der Schildescher Straße bei laufendem Betrieb

Bielefeld. Die Anforderungen der Privat- und Industriekunden an das Stromnetz sind gestiegen, dezentral erzeugter Strom aus Sonne und Wind wird immer wichtiger, die Technik ist in die Jahre gekommen. Deshalb erneuern die Stadtwerke Bielefeld jetzt für 1,9 Millionen Euro die Schutz – und Leittechnik im Umspannwerk (UW) Kraftwerk an der Schildescher Straße. Das Besondere: Während der Arbeiten muss das UW in Betrieb bleiben, fließt dort Strom bei einer Spannung von teils 110.000 Volt. Nur so ist gewährleistet, dass die Haushalte und Betriebe im Kerngebiet der Stadt auch während der Sanierung jederzeit sicher mit Strom versorgt bleiben.

Das Umspannwerk neben dem Heizkraftwerk auf dem Stadtwerke-Gelände ging 1982 in Betrieb. In ihm wird mithilfe zweier Großtransformatoren Strom mit einer Hochspannung von 110.000 Volt in Strom mit 10.000 Volt Mittelspannung umgewandelt. Anschließend wird die elektrische Energie über Kabel zu den Kunden im Umfeld transportiert. Verbunden ist das Umspannwerk über Hochspannungsleitungen mit dem benachbarten Heizkraftwerk, aber auch mit den Umspannwerken Sieker, Zwinger und Nord.

Überwacht und gesteuert wird die Arbeit der Anlage von der Leittechnik. Die Steuertechnik dient einem sicheren Betrieb des Umspannwerks und einer kontinuierlichen Versorgung der Kunden, in dem sie bei Fehlern in den Betriebsabläufen die betroffenen Leitungsabschnitte abschaltet. Diese aus dem Jahr 1982 stammende Schutz- und Leittechnik erneuern die Stadtwerke nun in zwei Bauabschnitten bis Ende 2019.

Zwei Bauabschnitte

Seit Anfang März bis Oktober dieses Jahres erfolgt zunächst die Modernisierung der Technik für die zwölf 110.000-Volt-Schaltfelder des Umspannwerks. 2019 schließt sich der 10.000-Volt-Mittelspannungsteil an. 1,9 Millionen Euro, davon 1,1 Millionen Euro für die Arbeiten in diesem Jahr, wendet das Bielefelder Versorgungsunternehmen auf, damit die Versorgung der Kunden in der Umgebung auch in Zukunft gesichert ist.

„Die Schutz- und Leittechnik hier im UW Kraftwerk ist seit 36 Jahren in Betrieb“, erläutert Projektkoordinator Hendrik Lohmann aus dem Stadtwerke-Bereich Anlagenplanung Elektrizität die Notwendigkeit der Arbeiten. „Damit haben sie ihre technische Lebensdauer er reicht. Wir müssen jetzt erneuern, um einen ungeplanten Ausfall zu vermeiden. Außerdem wird es immer schwieriger, noch Ersatzteile zu bekommen.“ Zudem sei die Digitalisierung auch hier enorm fortgeschritten. Die Erneuerung komme einem Quantensprung gleich: „1982 – das war das Jahr, als der legendäre Heimcomputer Commodore C 64 auf den Markt kam.“

Kornel Witte (rechts) von der Firma Siemens und Hendrik Lohmann von den Stadtwerken Bielefeld kontrollieren die neue Steuer- und Leittechnik. Im Hintergrund sieht man die 110.000 Volt-Schaltanlage im Umspannwerk Kraftwerk.

Kornel Witte (rechts) von der Firma Siemens und Hendrik Lohmann von den Stadtwerken Bielefeld kontrollieren die neue Steuer- und Leittechnik. Im Hintergrund sieht man die 110.000 Volt-Schaltanlage im Umspannwerk Kraftwerk.

Fit für die Zukunft

Wie wichtig die Erneuerung der Leittechnik ist, verdeutlicht Peter Offers, Leiter Anlagenplanung Elektrizität bei den Stadtwerken Bielefeld: „Seit der Inbetriebnahme des UW Kraftwerks hat es einen massiven Strukturwandel in der Stromerzeugung gegeben, ausgelöst durch die Energiewende. Dezentral erzeugter Strom aus erneuerbaren Energien gewinnt gegenüber fossilem Strom aus Großkraftwerken immer mehr an Bedeutung. Elektromobilität ist ein immer wichtigeres Thema, das starke Auswirkungen auf die Stromnetze hat. Wir brauchen hochmoderne Technik, damit wir unser Netz flexibel und intelligent an die sich schnell wandelnden Anforderungen anpassen können. Ohne Digitalisierung ist eine ‚Smart City‘ nicht möglich.“

Das Umspannwerk mit einer Leistung von 35,8 Megawatt, über das 18.190 Haushalte und die Gewerbe- und Industriebetriebe in der Kernstadt versorgt werden, muss während der gesamten Arbeiten in Betrieb bleiben. Deshalb tauschen die Stadtwerke die Technik abschnittsweise aus. „Gestartet sind wir mit der Montage eines neuen Zwischenbodens im Umspannwerk-Gebäude, auf den zurzeit unser Lieferant Siemens die neuen Steuerschränke stellt und für den Anschluss vorbereitet“, erläutert Hendrik Lohmann.

„Bis zum Ende des Sommers werden die Siemens-Monteure dann sukzessive die Anschlüsse der Steuerkabel zur Hochspannungsschaltanlage herstellen. Die Einhaltung dieses Zeitplans ist sehr wichtig, weil wir so die sommerliche Stillstandzeit unseres Heizkraftwerkes optimal auszunutzen.“

Schrittweiser Austausch

Die Arbeitsschritte für die Umrüstung der einzelnen Schaltfelder sind genau festgelegt, um weder die Arbeiter noch die Stromversorgung zu gefährden. Zunächst schaltet die Stadtwerke-Netzleitstelle jeweils ein es der 110.000-Volt-Schaltfelder ab. Die anderen elf bleiben in Betrieb und sorgen dafür, dass die Stromversorgung im Umfeld weiter funktioniert. Nach Freigabe durch den Netzbetrieb können die eigentlichen Arbeiten in der Anlage beginnen. Die Steuerkabel werden abgeklemmt, umgeschwenkt und in den neuen Steuerschränken angeschlossen. Nach erfolgreichen Schutz- und Inbetriebnahmeprüfungen kann das Schaltfeld wieder zugeschaltet werden – dann mit neuem Steuerschrank. Das ganze erfolgt nach und nach für die insgesamt zwölf Hochspannungs-Schaltfelder bis Oktober 2018. Im Anschluss an die Demontage der alten Schränke startet im kommenden Jahr die Erneuerung der Schutz- und Leittechnik für die 10.000-Volt-Schaltfelder der Mittelspannungsschaltanlage.

„Bauen unter Hochspannung muss minutiös geplant werden“, sagt Lohmann. „Ein Umspannwerk wie dieses ist in der Regel redundant ausgelegt. Das heißt, wenn ein Anlagenteil ausfällt, muss die Versorgung trotzdem noch gesichert sein. Dies Prinzip gilt auch während der Bauphase. Wir mussten also im Vorfeld genau überlegen und berechnen, welche Anlagen teile wir wann und wie austauschen. Damit haben wir bereits vor mehreren Monaten angefangen.“

Daten + Fakten

Mit der Leittechnik im Umspannwerk wird das Netz überwacht und gesteuert sowie Netzzustände visualisiert. Die Leittechnik ermittelt dabei alle notwendigen Daten im Umspannwerk und leitet diese über Kommunikationsnetze an die rund um die Uhr besetzte Netzleitstelle der Stadtwerke auf dem Betriebsgelände an der Schildescher Straße weiter.

Die Schutztechnik sorgt für den sicheren Betrieb des Netzes. Bei einem Fehler, zum Beispiel einem Kurzschluss auf einer Leitung, fließt ein sehr hoher Strom, der von der Schutztechnik automatisch erkannt wird. Sie schaltet dann die betroffene Leitung ab. Der Endverbraucher bemerkt diese Unterbrechung in der Praxis gar nicht, da der Strom im Hochspannungsnetz der Stadtwerke dann über andere Leitungen fließt.

Die Steuerschränke
Anzahl im Hochspannungsteil 12
Maße Höhe 2,20 Meter
Breite 1,60 Meter
Tiefe 0,60 Meter
Gewicht 350 k g
Lieferant der Schutz- und Leittechnik Siemens
Inbetriebnahme UW Kraftwerk 1982
Kosten gesamt 1,9 Mio . Euro
Kosten jetziger 1. Bauabschnitt 1,1 Mio. Euro

Das Bielefelder Stromnetz
Zahl der Stadtwerke-Umspannwerke 19
Länge des Bielefelder Stromnetzes 5.275 Kilometer
(2017)
davon Hochspannungsleitungen 164 Kilometer
davon Mittelspannungsleitungen 1.435 Kilometer
davon Niederspannungsleitungen 3.676 Kilometer.

Foto: © Stadtwerke Bielefeld