Themenreihe: Sonderforschungsbereiche

Seit über 50 Jahren fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) langfristige Projekte in Form von Sonderforschungsbereichen (SFB). In diesen Programmen betreiben Wissenschaftler fächer- und hochschulübergreifend Grundlagenforschung, die für die antragstellenden Hochschulen schwerpunkt- und strukturbildend ist. An der Universität Paderborn werden aktuell vier Sonderforschungsbereiche geleitet. Welche Ziele die Wissenschaftler darin verfolgen, wird in dieser Themenreihe vorgestellt.

Paderborner Forscher möchten die Entwicklung und Bereitstellung komplexer IT-Dienste vereinfachen und automatisieren:

Foto (Universität Paderborn): Prof. Dr. Friedhelm Meyer auf der Heide, Sprecher des Sonderforschungsbereichs 901 „On-The-Fly Computing“.

Foto (Universität Paderborn): Prof. Dr. Friedhelm Meyer auf der Heide, Sprecher des Sonderforschungsbereichs 901 „On-The-Fly Computing“.

Paderborn. Die Entwicklung und Bereitstellung von IT-Anwendungen sind in der heutigen Zeit hochkomplexe Vorgänge. Trotz vorgefertigter Komponenten können selbst ambitionierte IT-Experten an den verschiedenen Herausforderungen scheitern. An der Universität Paderborn verfolgen Forscher seit 2011 innerhalb des Sonderforschungsbereichs 901 die Vision des sogenannten „On-The-Fly Computing“ (OTF-Computing). Im Idealfall sollen so selbst Nutzer, die keine speziellen IT-Fachkenntnisse haben, in die Lage versetzt werden, einen passgenauen IT-Dienst zu erstellen. Wer eine IT-Anwendung entwickeln und einsetzen möchte, benötigt dafür verschiedene Zutaten. Neben der Auswahl des Programmiergerüsts und geeigneter Bibliotheken muss unter Umständen weitere Software produziert werden.

IT-Entwickler müssen des Weiteren bedenken, dass sich Anforderungen unterscheiden können je nachdem, ob der Dienst auf einem Smartphone, im Webbrowser oder vielleicht sogar in einem speziellen Rechenzentrum ausgeführt werden soll. Daraus ergibt sich eine Vielzahl an unterschiedlichen Herausforderungen, für die heute Spezialisten zuständig sind. In Zukunft müsse dieser Bereich allerdings viel stärker automatisiert werden, meint Prof. Dr. Friedhelm Meyer auf der Heide, Sprecher des Sonderforschungsbereichs: „Wir sehen uns am Beginn eines neuen Abschnitts in der Entwicklung und Ausführung von IT-Dienstleistungen. Schon jetzt sind Ansätze absehbar, die vom 40 Jahre alten Prinzip abkehren. So wurde Software bisher zum Beispiel durch Einkauf von teuren und recht unflexiblen Standardlösungen beschafft. Unsere Vision ist es, komplexe IT-Dienste durch weitgehend automatisierte Konfiguration und Ausführung bereitzustellen, die trotzdem individuell auf die Bedürfnisse der Nutzer eingehen.“

Spontan, flexibel und benutzerfreundlich: Auf diese speziellen Bedürfnisse reagiert die „On-The-Fly“-Methode, die IT-Nutzern sinngemäß „im Vorbeigehen“ bzw. „spontan“ flexibel kombinierbare Dienste ermöglicht. Der entscheidende Vorteil: Angefragte IT-Dienste werden aus bereits vorhandenen Diensten, die von Softwareanbietern auf entsprechenden Märkten angeboten werden, zeitnah konfiguriert. Auch die Ausführung dieser IT-Dienste kann laut Meyer auf der Heide nahezu automatisiert in einem Rechenzentrum erfolgen, das das nötige Know-how sowie die technischen Voraussetzungen mitbringt, um die zusammengestellten Dienste effizient ausführen zu können. „Um das On-The-Fly Computing für die Nutzer und Anbieter attraktiv zu machen, müssen wir aber auch Methoden zur benutzerfreundlichen Beschreibung der angeforderten IT-Dienste entwickeln. Eine weitere Herausforderung liegt darin, die Service-Qualität sicherzustellen und die sichere Interaktion der Teilnehmer in sich dynamisch verändernden Märkten zu unterstützen“, betont der Paderborner Wissenschaftler.

Interdisziplinäre Forschung als Innovationsmotor: Die Arbeit in den vier Projektbereichen des SFB 901, dessen Förderung von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im vergangenen Jahr mit rund 10 Millionen Euro bis 2023 verlängert wurde und der somit die maximale Förderungsdauer erreichen wird, erfordert die Kooperation verschiedener Disziplinen aus den Fächern Informatik und Wirtschaftswissenschaften. Für die Entwicklung einer Demonstrationsanwendung für das OTF-Computing beschäftigen sich diverse beteiligte Informatiker u. a. mit dem Einsatz von Maschinellem Lernen. Hierbei geht es um mathematische Modelle und Algorithmen, die ein Computersystem erst zum Lernen befähigen. Wirtschaftswissenschaftliche Fragestellungen fokussieren sich u. a. auf die Eigendynamik eines On-The-Fly-Marktes, also etwa auf Akzeptanz- und Erfolgsfaktoren von solchen Märkten. Der Lehrstuhl für Digitale Kulturwissenschaften verfolgt hingegen das Ziel, IT-Nutzern leicht verständliche Erklärungen zu konfigurierten Diensten in natürlicher Sprache bereitzustellen.

In einem weiteren Projektbereich arbeiten die Paderborner Wissenschaftler mit externen Partnern aus der Industrie zusammen, um so auf der einen Seite einen Wissenstransfer in die Industrie zu ermöglichen und auf der anderen Seite Ergebnisse aus der angewandten Forschung zurück in die Grundlagenforschung zu führen. Meyer auf der Heide: „Das breite Forschungsspektrum unseres Sonderforschungsbereichs gibt uns ein Alleinstellungsmerkmal, das in dieser Form in keinem anderen Verbundprojekt zu finden ist. Gerade die Integration einer Vielzahl von Disziplinen stellt eine der wichtigsten Innovationen des On-The-Fly Computing dar. “

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