Starke Jugendbildung mit politischen Themen und digitalen Medien

Teilnehmende einer Fortbildung im Haus Neuland entwickeln neue Bildungskonzepte für die Praxis

Bielefeld/Bochum/Köln. Was haben nachhaltiger Kleidungskonsum und Recherche in einem historischen Archiv mit Jugendmedienbildung zu tun? Auf den ersten Blick nicht viel – oder doch? Zwei junge Frauen aus NRW, die in der Jugendbildung arbeiten, haben zu Themen, die ihnen am Herzen liegen und zugleich politisch und gesellschaftlich relevant sind, eigene Bildungskonzepte erarbeitet. Dabei setzen sie ganz selbstverständlich digitale Medien ein.

Jugendmedienbildung

13 junge Fachkräfte haben an der Zertifikatsfortbildung im
Haus Neuland in Bielefeld teilgenommen und eigene Konzepte
für die politische Jugendmedienbildung entwickelt. © Haus Neuland

Erstellt haben sie die Konzepte in der medienpädagogischen Zertifikatsfortbildung „Train@JuMP“ im Haus Neuland in Bielefeld. 13 Fachkräfte der Jugendarbeit und der außerschulischen Bildungsarbeit sowie Studierende, Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger haben daran teilgenommen und das Zertifikat „Fachkraft für politische Jugendmedienbildung“ erhalten. Ein Jahr, fünf Module, jede Menge theoretischer Input, lebendiger Austausch, praktische Übungen – und im Mittelpunkt des Ganzen stand die Frage, wie man Jugendliche durch digitale Medien für Partizipation und Mitbestimmung begeistern kann. Zwölf individuelle Bildungskonzepte haben die Teilnehmenden der Zertifikatsfortbildung erarbeitet. Ein Blick auf die beiden Beispiele zeigt, welche Bandbreite an Gestaltungsmöglichkeiten es in der politischen Jugendmedienbildung gibt.

Nachhaltiger Kleidungskonsum und die Rolle der Werbung

Hannah Farber ist Studentin und gibt als Teamerin im Haus Neuland Seminare im Bereich Jugendbildung. Ihr Thema ist nachhaltiger Kleidungskonsum und die Rolle der Werbung. Dazu hat sie im Rahmen der Zertifikatsfortbildung Train@JuMP ein Konzept für einen mehrtägigen Workshop mit Jugendlichen entwickelt. „Die Jugendlichen sollen reflektieren, was sie kaufen und warum sie es tun. Wenn es nur darum ginge, dass Kleidung uns warm halten soll, dann bräuchten wir schließlich deutlich weniger davon“, erläutert die 26-Jährige aus Köln, die grade ihre Masterarbeit im Studiengang „Interkulturelle Kommunikation und Erwachsenenbildung“ schreibt, die Einstiegsgedanken zu ihrem Workshop. Sie möchte damit Jugendliche ab 14 Jahren ansprechen – also in einem Alter, in dem sie anfangen, selbstständig Kleidung zu kaufen.

Hannah Farber geht es aber nicht nur um den eigenen Kleidungskonsum, sondern auch um die sozialen und ökologischen Probleme der Kleidungsindustrie: die schlechte Bezahlung für Näherinnen und Näher, den Einsatz gefährlicher Chemikalien, die langen Transportwege und mehr. „Ich möchte ein Bewusstsein dafür schaffen, wieviel Arbeit und Ressourcen eingesetzt werden, bis ein Kleidungsstück verkaufsfertig im Regal liegt“, sagt sie. 

Im nächsten Schritt schaut sie mit den Jugendlichen an, wie Werbung für Mode gemacht wird. Das funktioniert nämlich längst nicht nur über Fernsehwerbung, Plakate und Anzeigen in Zeitschriften, sondern z.B. auch über die Videoplattform Youtube. Viele Youtuberinnen und Youtuber stellen auf ihren Kanälen und in ihren Beiträgen Kleidungsstücke und Accessoires vor. Die Videos werden oft tausendfach angeklickt und beeinflussen auf diese Weise die Zuschauerinnen und Zuschauer – eine neue Form von Werbung.

„Am Ende des Workshops drehen wir den Spieß um: Die Jugendlichen sollen dann selbst Werbung machen – für nachhaltigen Kleidungskonsum“, kündigt Hannah Farber an. Dabei können z.B. Plakate, Radiobeiträge oder Videoclips entstehen – je nach Interesse und Spaß am jeweiligen Medium. „Uns ist ganz wichtig, dass Jugendliche selbst aktiv werden und digitale Medien kreativ nutzen, um ihre Anliegen auszudrücken – das ist der Grundgedanke unseres Projektes ‚JuMP – Jugend, Medien, Partizipation‘ und der Zertifikatsfortbildung ‚Train@JuMP‘. Deshalb finden wir das Konzept zum nachhaltigen Kleidungskonsum super und sind fest davon überzeugt, dass es sich auch in der Praxis bewährt“, lobt JuMP-Projektleiterin Johanna Gesing.

Archiv-Recherche zum historischen Thema „1. Mai“

Lisa-Marie Davies hat im Rahmen der Train@JuMP-Fortbildung in Bielefeld ebenfalls ein eigenes Bildungskonzept entwickelt – und eine spannende Einrichtung einbezogen: das Archiv der Arbeiterjugendbewegung in Oer-Erkenschwick. Direkt nebenan befindet sich das Salvador-Allende-Haus, wo die 29-jährige Bochumerin als Jugendbildungsreferentin arbeitet. „In meinem Workshop lernen Jugendliche das Archiv kennen und nutzen es als Anlaufstelle zum Recherchieren. Im Mittelpunkt der Nachforschungen soll der 1. Mai als historisches Thema stehen. Mit etwas Glück findet man im Archiv Fotos, Reden und Tondokumente dazu“, erklärt die studierte Historikerin und Literaturwissenschaftlerin.

Wie sie Jugendliche für dieses Thema begeistern will? Ganz einfach: „Ich verknüpfe klassische politische Bildung mit Medienproduktion. Die Jugendlichen werden selbst aktiv und erstellen eigene Medienprodukte, zum Beispiel E-Books, Comics, Hörspiele oder Filme. Eventuell können sie sogar historisches Filmmaterial verwenden – und ansonsten stellen wir zum Beispiel historische Szenen mit kleinen Figuren und der Stop-Motion-Technik nach“, erklärt Lisa-Marie Davies. Denn das Thema Urheberrecht kommt bei der Arbeit mit historischen Quellen natürlich auf – so werden die Teilnehmenden in ihrer Medienkompetenz an unterschiedlichen Punkten gefördert.

Das Archiv in Oer-Erkenschwick dokumentiert die Geschichte der Arbeiterjugendbewegung. Diese wiederum ist auch mit der Geschichte der Bielefelder Bildungsstätte Haus Neuland eng verknüpft. In den 1930er Jahren organisierte die sozialistische Arbeiterjugend auf dem Gelände rund um die heutige Bildungsstätte in Bielefeld-Sennestadt erste Zeltlager. Eines davon trug den Namen „Neuland“. Das Dorfschild dieses Zeltlagers überdauerte den Zweiten Weltkrieg und tauchte danach wieder auf. Darauf geht der Name von Haus Neuland zurück.

Der Grundgedanke: Jugend, Medien, Partizipation

„Im Projekt JuMP arbeiten wir mit pädagogischen Fachkräften aus ganz unterschiedlichen Berufsfeldern und bilden sie zu Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in Sachen digitale Medien und Partizipation aus – so wollen wir Jugendliche in ihrer eigenen Lebenswelt erreichen und in ihren Beteiligungschancen stärken“, erklärt Projektleiterin Johanna Gesing.

JuMP steht für „Jugend, Medien, Partizipation“. Das Projekt ist Ende 2012 im Haus Neuland gestartet und wird vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert. Die Zertifikatsfortbildung „Train@JuMP – Fachkraft für politische Jugendmedienbildung“ ist neben vielen Workshops und Seminaren für Jugendliche eines der wichtigsten Formate im Projekt JuMP. Im Januar 2019 beginnt die nächste Zertifikatsreihe „Train@JuMP“. Die Termine dafür sind auf www.jump-nrw.de zu finden.

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