St. Martin lässt die Korken knallen

Überall in Böhmen und Mähren wird am 11.11. angestoßen
Wenn für die Jecken am Rhein die 5. Jahreszeit beginnt, dann klingen auf vielen Marktplätzen in Böhmen und Mähren die Gläser. Am 11.11. stößt man dort mit dem ersten Wein des neuen Jahrgangs an. Die Jahrhunderte alte Tradition des St. Martinsweins (Svatomartinské víno) wurde dort neu belebt. Und so finden von Jahr zu Jahr mehr Weinfeste rund um den St.-Martinstag statt. Auch die traditionelle Martinsgans darf an diesem Tag nicht fehlen.
 
Der Martinswein fließt in Tschechien am 11.11.. Foto: CzechTourism/David Marvan

Der Martinswein fließt in Tschechien am 11.11.. Foto: CzechTourism/David Marvan

Pünktlich um 11.11 Uhr erhebt der Heilige Martin hoch zu Ross sein Glas. Dann können auch die Gäste auf dem Marktplatz von Mikulov (Nikolsburg) den frischen Martinswein kosten. Die südmährische Kleinstadt ist eines der Zentren des Weinanbaus im Nachbarland Tschechien. Zehn Tage lang, vom 10. bis 19. November, feiert man dort den traditionellen St.-Martinsmarkt. Handwerker und Künstler präsentieren sich in dieser Zeit im historischen Stadtzentrum. Im Mittelpunkt steht aber der hiesige Martinswein, den man auf dem Marktplatz sowie in zahlreichen Restaurants und Weinkellern genießen kann. 

Erstmals erwähnt wurde der Martinswein schon im 18. Jahrhundert, als Kaiser Joseph II. das Habsburger Reich regierte. Zu damaligen Zeiten endete am 11.11. der Dienst für die Helfer auf den großen Weingütern. Gemeinsam stieß man bei einem Glas des jungen Weins auf die getane Arbeit an und vereinbarte die Fortsetzung im nächsten Jahr. Während diese Tradition in Österreich verloren ging, hat sie in Tschechien die Zeit überdauert und wurde vor einigen Jahren neu belebt. Seit 2005 wird der Martinswein mit großem Erfolg vom Tschechischen Weinfonds vermarktet. Nur sechs blaue und weiße Traubensorten, die schon früh geerntet werden, dürfen für die Produktion genutzt werden. Dazu gehören Müller-Thurgau und St. Laurent. Nur Weine, die vor den Juroren des Weinfonds bestehen, dürfen das Logo des Heiligen Martin tragen. Wurden 2005 nur 2.000 Flaschen Martinswein verkauft, waren es zehn Jahre später bereits 2,3 Millionen. 
 
Trinken sollte man den fruchtigen, zuweilen leicht moussierenden Wein spätestens bis zum nächsten Frühjahr. Doch ein großer Teil der Produktion wird bereits am 11.11. ausgeschenkt. Ob in den mährischen Weindörfern oder den großen Städten, überall stößt man an diesem Tag mit dem Martinswein an. Viele Restaurants im Lande servieren zur Stärkung die traditionelle Martinsgans dazu. In Prag kann man die Martinsweine beispielsweise bei einer besonderen Bootsfahrt über die Moldau, auf dem historischen Weinberg im Botanischen Garten, auf dem Winzermarkt im Stadtteil Vinohrady oder bei einer Verkostung im Nationalen Landwirtschaftsmuseum genießen. Auf dem zentralen Náměstí Svobody in der mährischen Metropole Brünn präsentieren sich mehr als 100 Winzer mit ihren Martinsweinen. In der UNESCO-Welterbestadt Český Krumlov (Krumau) bildet der Martinstag den Höhepunkt eines fünfwöchigen Weinfestes, das vom 27. Oktober bis 30. November stattfindet. Viele Restaurants bieten in dieser Zeit spezielle Weinverkostungen an.
 
Der Erfolg des Martinsweins steht für den Aufschwung, den mährische und böhmische Weine in den vergangenen Jahren zu verzeichnen haben. Das zeigt sich auch bei internationalen Wettbewerben. Bezeichnend dafür ist der Erfolg von Leoš Horák. Der mährische Winzer ist der erste, der zweimal in Folge den prestigeträchtigen Pariser Wein-Wettbewerb ?Vinalies Internationales“ gewann. 2016 holte er den Titel des Champions bei den Rosé-Weinen, 2017 bei den Weißweinen. In diesem Jahr erzeugten die tschechischen Winzer auf rund 17.000 Hektar Fläche etwa 580.000 Hektoliter Wein.