Projekt Elternpraktikum : „Baby-Bedenkzeit“

BabybedenkzeitMindenMinden. „Man muss schon eine emotionale Beziehung zu dem Kind aufbauen, sonst ist das doch nur ein Roboter“, schallt es aus der Gruppe 14- bis 16-Jähriger der Freiherr-von-Fincke-Realschule in Minden. Die elf Jugendlichen haben bei dem Projekt Elternpraktikum mitgemacht. An drei Tagen sind die Schülerinnen und Schüler für einen Säugling verantwortlich – mit allen Pflichten und Anstrengungen. Füttern, Wickeln, Trösten, im Arm wiegen, Einkaufen gehen oder das Baby mit zu Freunden nehmen – die Verantwortung für ein Kind zu übernehmen ist nicht immer leicht. Deshalb versuchen sie sich erst einmal an einem batteriebetriebenen RealCare Baby©.

Dieses imitiert, genau wie ein Neugeborenes, Bedürfnisse. Kümmern sich die Eltern nicht gut, verzeichnet ein Computerprogramm minutengenau die Fehler. Am Ende werden die Daten ausgelesen und zusammen mit den Jugendlichen ausgewertet.

Bereits zum dritten Mal haben Sozialpädagogin Ulrike Lahser und Sozialarbeiterin Frauke Neumann das Praktikum an der Realschule angeboten. Ziel ist es Kindesvernachlässigung zu verhindern, unrealistischen Lebensentwürfen mit einem Kind vorzubeugen und ein differenziertes Bild vom Leben mit einem Kind zu vermitteln. „Als Sozialarbeiterin kommt man mit jungen Mädchen in Kontakt, die ungewollt schwanger werden. Das kommt häufiger vor als man denkt. Die Babysimulatoren sollen helfen, Teenagerschwangerschaften präventiv zu reduzieren“, betont Ulrike Lahser. Es ist nicht das Ziel, Jugendliche mit einem Kinderwunsch abzuschrecken – vielmehr geht es darum aufzuklären.

Die Simulatoren sind unterschiedlich programmierbar, sodass ein Tages- und Nachterleben mit einem Säugling realistischBabybedenkzeitMinden22 möglich ist. Es ist die Aufgabe der „Probe-Eltern“ herauszufinden, was das Kind gerade braucht. „Die Babys schreien mit unterschiedlicher Intensität – je nachdem ob es hungrig ist oder gewickelt werden muss. Die Jugendlichen entwickeln aber schnell ein Gespür dafür, was zu tun ist“, so Lahser. Während des Praktikums sind die Schülerinnen und Schüler vom Unterricht befreit, denn sie sollen nicht nur einen Säugling betreuen, sondern bekommen Wissen rund um die Themen Schwangerschaft und Verhütung, Kinderpflege und Entwicklung, Lebensplanung, Sicherheit und Gesundheit vermittelt. Die Rückstellung eigener Bedürfnisse ist nicht einfach, so kommt es nach kurzer Zeit zu Überforderungs- und Stresssituationen. Was in diesen Momenten zu tun ist und wen man um Hilfe bitten kann, das lernen die Jugendlichen während der drei Tage.

Finanziert wird das Projekt „Baby-Bedenkzeit“ von den Frühen Hilfen im Bereich Sozialer Dienst Jugendhilfe Stadt Minden. In diesem Jahr haben alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Projekt bis zum Ende durchgehalten. In der Abschlussdiskussion kristallisierte sich heraus, dass der Kinderwunsch da ist, auch nach diesen anstrengenden Tagen. Aber wichtig ist den Jugendlichen den richtigen Zeitpunkt in der Lebensplanung abzupassen, damit dem eigenen Kind eine sichere und finanziell stabile Zukunft ermöglicht werden kann. „Erst nachdem ich meine Berufsausbildung abgeschlossen und einige Zeit im Beruf gearbeitet habe, kann ich mir vorstellen ein Kind zu bekommen. Jetzt ist das noch zu früh für mich“, so einer der Schüler. Babys versorgen ist nicht immer nur Frauensache, auch die Jungs der Gruppe waren mit viel Engagement bei der Sache. Die Vaterrolle haben sie schon einmal probeweise übernommen, in zehn bis 15 Jahren kann dann das „echte“ Kind kommen.

Fotos (c.) : Stadt Minden