Patenschaft als Integrationsangebot

topocareDraierMustafaAchmedJegelkaGütersloh. Achmed Sliman spricht schnell. Das Deutsche kommt ihm fließend über die Lippen. Es macht ihm Spaß sich zu unterhalten, er sucht das Gespräch und ist der Meinung: „Deutsch lernt man nicht nur im Sprachkursus, sondern vor allem, wenn man zusammen arbeitet.“ Dazu hatte er jetzt in dem Gütersloher Unternehmen Topocare eine gute Gelegenheit. In seinem dreimonatigen Praktikum konnte er die Geschäftsführer Roland Draier und Simon Jegelka zwar nicht in bautechnischen Fragen unterstützen, aber er hat sich eingebracht beim Marketing und bei der Übersetzung der Homepage von Topocare ins Arabische. „Natürlich muss man sich Zeit nehmen und die Abläufe, Themen und Hintergründe erläutern“, sagt Jegelka. Aber letztendlich würden beide Seiten profitieren. Man bekomme etwas zurück, so Jegelka.

Das junge Unternehmen Topocare ist es gewohnt, neue Wege zu gehen. Für den Deichschutz entwickelten die Ingenieure eine Maschine, die lange Schläuche aus einem stabilen Geotextil abwickelt und sie mit Sand oder Kies füllt. Diese können direkt vor Ort verlegt werden, so dass binnen einer Stunde ein Deich gebaut werden kann. Eine faszinierende Idee und eine Arbeit, wie der Bauingenieur Mustafa Alhaj Khalil sie währendseines Bachelor-Studiums in Syrien noch nicht kennengelernt hatte. Seit Januar letzten Jahres ist er in Deutschland, nachdem er seinen Bachelor – mit Vorbereitungen bei Kerzenlicht, unter Bombardierungen und ohne Wasser im Haus zu haben – abgeschlossen hatte. „Das Praktikum bei Topocare ist eine große Chance“, sagt Mustafa Alhaj Khalil. Er schätzt die Hilfsbereitschaft der Geschäftsführer, die ihm als Mentoren den Weg in eine berufliche Zukunft ermöglichen. Erreicht hat er bereits, dass sein Bachelor-Abschluss in Deutschland anerkannt wurde. Im Herbst wird er den Master Studiengang in Detmold beginnen. Eine Fachkraft von morgen.

„Man muss schauen, wo die Interessen liegen und wo Mustafa in Zukunft arbeiten will“, sagt Roland Draier. Er und Simon Jegelka wollen Mustafa Alhaj Khalil auch während des Studiums begleiten und weiterhin als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. „Aber schaffen kann er es nur selber“, meint Draier. Aber die Geschäftsführer sind optimistisch: „Beide Studenten haben Karriere im Kopf und sind offen für die Zukunft.“ Auch Achmed Sliman hat nach seinem Praktikum einen Job gefunden. Er arbeitet beim Arbeiter-Samariter-Bund in Bielefeld und ist dort für die Betreuung von Flüchtlingen, inklusive Übersetzungshilfen und die Begleitung bei Amtsgängen zuständig.

Wie können wir die Integration unterstützen? Wo finden wir junge Menschen, die für ein Praktikum in unserem Unternehmen geeignet sind? Diese Fragen stellten sich die beiden Geschäftsführer von Topocare im Sommer letzten Jahres und stellten fest, dass diese Fragen gar nicht so einfach zu beantworten sind. Sie recherchierten auf Facebook und fragten bei Pro Asyl nach. Der Kontakt zu Gulbara Orozova, Projektleiterin des Projektes „It`s My Life – Kurzfilme von eingewanderten Jugendlichen“ in Bielefeld half ihnen schließlich weiter. Das vom Bundesinnenministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderte Projekt will eingewanderten Jugendlichen und jungen Erwachsenen die politische und soziale Teilhabe ermöglichen, die Medienkompetenz erhöhen und das Bild in der Öffentlichkeit verbessern. Orozova kannte Mustafa Alhaj Khalil und Achmed Sliman bereits aus diesem Projekt. Nach dem Vorstellungsgespräch bei Topocare konnten die beiden Geschäftsführer es kaum glauben, dass diese beiden Fachkräfte bislang noch keine Chance in einem Unternehmen erhalten hatten.

Neben der Arbeit und nicht nur auf der gemeinsamen Weihnachtsfeier, wurde auch viel diskutiert: Über Syrien, den Krieg, die Rolle der Frau in der Gesellschaft und im Berufsleben und die Trennung von Religion und Politik. Beide Seiten haben dazugelernt und viel erfahren. Intensiver kann ein Austausch kaum sein.

BU: Ein starkes Team und eine Patenschaft, die vieles ermöglicht: Die Geschäftsführer von Topocare Roland Draier (links) und Simon Jegelka (rechts) ermöglichten Mustafa Alhaj Khalil (2. V. links) und Achmed Sliman den Einstieg in die Berufswelt.