ONE NIGHT OF QUEEN – LANG LEBE DIE KÖNIGIN!

One Night of Queen 1 ZeitungAsche über mein Haupt: Ich habe ihn nicht erkannt! Einer der begnadetsten Rocksänger aller Zeiten sitzt vor mir, knapp zwei Stunden ehe er mit seiner Band auf der Bühne stehen wird, und ist bereit, sich meinen Fragen zu stellenZu meiner Verteidigung darf ich anführen, dass diesen eher schmächtigen, beinahe haarlosen, herrlich sympathischen Zeitgenossen mit der verbogenen Nickelbrille kaum jemand als den erkannt hätte, den er knapp zwei Stunden später verkörpern wird. Also: Mir gegenüber fürs Interview sitzt ein 38-jähriger Schotte namens Gary Mullen, einer der witzigsten Menschen der Welt, in Schlabber-Jeans und ebensolchem Pulli. Unmittelbar nach Gesprächsende beginnt die unglaubliche Verwandlung von Gary Mullen, optisch wie bei seiner Persönlichkeit. Ein gut sitzendes Toupet, angeklebter Zuhälter-Schnauzbart, Kontaktlinsen, Designer-Trainingsanzug, ein quietschgelbes Shirt und “Adidas”-Turnschuhe reichen aus, um aus dem hibbeligen dreifachen Familienvater eine 1:1-Kopie von Queen-Sänger Freddie Mercury zu machen – in all dessen Mondänität, zickiger Tuckenhaftigkeit, dampfender Sexualität. Ein Weltstar mit Stil, mit Aura, mit jeder Menge Drama auf der BühnDas erste Mal verwandelte sich Gary anno 2000 in Freddie, im Rahmen der britischen TV-Castingshow “Stars In Their Eyes”. Mullen gewann den Contest mit einer bei dieser Sendung nie mehr erreichten Zahl von 864.838 Anrufern, die sich für ihn als Sieger aussprachen, das waren doppelt so viele als der Zweitplatzierte vorweisen konnte. “Meine Frau und meine Mutter haben mich gedrängt, an der Sendung teilzunehmen”, erinnert sich Gary in seinem vergnügten schottischen Singsang, “bis dato hatte ich Queen-Lieder nur mal bei Karaoke-Veranstaltungen in irgendwelchen Kneipen angestimmt, ansonsten war ich Computer-Verkäufer, obwohl ich Computer eigentlich nicht ausstehen kann.”

Nach seinem überwältigenden Sieg im Fernsehen schaffte Mullen es rasch, den ungeliebten Job hinter sich zu lassen, er stellte mit vier gestandenen Musikern die Formation Gary Mullen & The Works auf, schnell hatte man ein zweistündiges, rund 30 Songs umfassendes Programm namens “One Night Of Queen” zusammen gebastelt, seit 2001 wird weltweit getourt, an knapp 200 Abenden pro Jahr. “Es ist meine uneingeschränkte Begeisterung für Freddie und seine Musik, seit ich vier Jahre alt bin, die mich zu Mercurys Inkarnation hat werden lassen”, ist Gary Mullen fest überzeugt. “Wobei man keine Angst haben muss, dass ich langsam schizophren werde und mir einbilde, tatsächlich Freddie zu sein. Der bin ich definitiv nur auf der Bühne. Dort allerdings voller Inbrunst!”

Und dieser ist der Schotte in der Tat, von den ersten Takten des ersten Stücks jenes Auftritts, den er mit The Works zelebriert: “We Will Rock You”, na klar, ein besseres Motto hätte man sich zum Einstieg gar nicht ausdenken können. Das Datum dieses Tages, an dem der The Works-Gig im “Auditorium Stravinski” stattfindet, ist auch für den professionellen Freddie-Darsteller Mullen ein ganz besonderes, ebenso der Ort, wo er stattfindet: An jenem 24. November 2011 ist der Queen-Frontmann auf den Tag genau 20 Jahre tot – und Montreux war neben München stets Mercurys Lieblingsort, hier hat er seine letzten Aufnahmen eingespielt, hier steht an der Uferpromenade des Genfer Sees eine Statue von ihm.

Für zu viel Nostalgie ist auf der Bühne dennoch kein Platz, Gary und seine Works wollen das 3.500 Zuschauer umfassende Publikum, das vom Jugendlichem bis zum Senior alle Altersgruppen umfasst, tatsächlich in erster Linie “rocken”. Kein Problem bei dem Programm, das man ausgewählt hat, da fehlt es nicht an Krachern: “Tie your Mother Down”, “A Kind Of Magic”, “Another One Bites The Dust” oder “Flash” sorgen für jede Menge heftiger Adrenalinschübe und begeisterte Publikumsreaktionen. Dennoch, die berührendsten Augenblicke der Veranstaltung gibt es bei den Balladen, weil in denen der Original-Freddie stets seine gesamte Emotionspalette ausspielen konnte: “Love Of My Love”, “The Show Must Go On” und über allem die Jahrhundert-Hymne “Bohemian Rhapsody”. Ein Meisterstück, bei dem Mercury seine fünf Oktaven umfassende Stimme voll ausreizte – für geschätzte 95 Prozent aller Rock-Sänger eine Unmöglichkeit, diese Skala zu erreichen. Gary Mullen allerdings gehört zu den fünf übrigen Prozent und erzeugt Gänsehaut pur, als er sich in diesem genialen Labyrinth von einem Lied verliert und selbst in Trance versetzt.

Nach zwei Stunden ist das Spektakel vorbei, dichte Schweißwolken wurden in die Räumlichkeiten des “Auditorium Stravinski” entlassen. Begeisterung allerorten, auf sämtlichen Gesichtern. Nun kann man sich über den Sinn und Zweck solcher Revival-Veranstaltungen gar prächtig streiten. Nicht zu bestreiten ist, dass Gary Mullen ein meisterlicher Freddie Mercury-Klon ist und der unsterblichen Queen-Musik neues Leben, neue (Live-)Energie verpasst, kraft seiner Präsenz, kraft seiner Ausnahmestimme. Lang lebe die Königin!

TOURNEE:

06.01. Saarbrücken, Saarlandhalle
07.01. Ravensburg, Oberschwabenhalle
08.01. Kempten, Big Box
10.01. Hamburg, CCH
11.01. Alsdorf, Stadthalle
12.01. Frankfurt, Jahrhunderthalle
13.01. München, Tonhalle
15.01. Regensburg Audimax
16.01. Rosenheim, Kuko
17.01. Schwäbisch, Gmünd Stadtgarten
19.01. Baden-Baden, Festspielhaus
21.01. Bremen, Pier 2