Neue Therapie verringert Herzinfarktfolgen

Portrait PD Dr. Fikret ErGütersloh. In Deutschland sterben pro Jahr rund 52.000 Menschen an einem akuten Herzinfarkt. Jeder Therapieansatz, der eine Verbesserung der Überlebensrate oder eine Verringerung der Spätschäden zur Folge hat, stellt einen Gewinn für alle Betroffenen dar. Die Entwicklung einer Behandlungsstrategie, die möglicherweise die schweren, irreversiblen Folgen eines akuten Infarktes zu reduzieren vermag, ist das Ergebnis einer fast 20-köpfigen medizinischen Forschungsgruppe unter der Leitung von PD Dr. Fikret Er, Kardiologe und Chefarzt der Kardiologie am Klinikum Gütersloh.

„Wir freuen uns, mit dieser Studie in wissenschaftlichen und medizinischen Fachkreisen Impulse gesetzt zu haben, die frühe Herzinfarkttherapie mit Betablockern neu zu überdenken“, berichtet PD Dr. Er angesichts seines Forschungsergebnisses. „Weltweit zeigen Fachgesellschaften großes Interesse an unseren Ergebnissen, publizieren und diskutieren sie.“ Der Hintergrund der Forschungsarbeit ist vereinfacht so zu erklären: Die Stresssituation während des Herzinfarktes erhöht den Sauerstoffverbrauch des Herzens zusätzlich und es droht, dass der Schaden des Herzmuskelgewebes dadurch größer wird als er sein müsste. Das Ausmaß der Aktivität durch Stresshormone erkennen die Wissenschaftler indirekt anhand der erhöhten Herzfrequenz. Bekannt ist, dass der Herzinfarkt den Puls beschleunigt. Unbekannt war bisher, ob das „Ausbremsen“ des Pulses die Infarktgröße verkleinern kann. Zu diesem Zweck wurden in einer groß angelegten Untersuchung 100 Patienten mit akutem Herzinfarkt untersucht. 50 von ihnen wurden so behandelt, wie es weltweit üblich ist. Bei der anderen Hälfte der Patienten wurde der Puls mit Hilfe eines kontinuierlich in die Vene verabreichten Beta-Blockers (Esmolol) auf 60 Schläge pro Minute gedrosselt. Es galt herauszufinden, in welcher Gruppe die Herzwerte (Biomarker) im Blut als Zeichen für die Herzinfarktgröße höher waren.

Die Ergebnisse der Biomarker-Messung bestätigten PD Dr. Er und seine Kollegen in ihrer Hypothese. Bei Patienten mit einer Reduzierung des Pulses für 24 Stunden wurde der Schaden am Herzen auf nahezu die Hälfte reduziert. Schützende Einflüsse des Betablockers können infolgedessen angenommen werden. Ebenso konnte sechs Monaten nach Infarktgeschehen bei einer weiteren körperlichen Kontrolluntersuchung eine deutlich höhere Belastbarkeit der Patienten festgestellt werden. PD Dr. Er zeigt sich hochzufrieden mit dem Studienergebnis: „Dieses Ergebnis kann ein erster Schritt sein, die Behandlung eines Herzinfarktes zu optimieren. Auch wenn wir im Vergleich zu früher bereits einen sehr hohen Therapielevel haben, besteht nun die Chance, die Lebensqualität der Patienten noch weiter zu verbessern. Der Betroffene regeneriert nach seiner akuten Erkrankung schneller und erreicht eine höhere kardiale Belastungsfähigkeit.“

Nach eigener Einschätzung stehen die Kardiologen noch ganz am Anfang. Um eine realistische Therapieoption mit Betablockern herauszuarbeiten, wird eine weitere, großangelegte Studie erforderlich sein. Dafür bedarf es finanzstarker Unterstützung. Zurzeit befindet sich die Forschungsgruppe in intensiven Gesprächen mit potentiellen Sponsoren und staatlichen Stiftungen. „Nach diesem vielversprechenden Ergebnis sind wir hochmotiviert, die Untersuchungen weiterzuführen“, resümiert PD Dr. Er und hofft auf weitere finanzielle Mittel.

Hintergrund Betablocker

Vielen Menschen ist der Name „Betablocker“ geläufig. Was bedeutet der Name und welche Wirkungsweise verbirgt sich hinter diesem Medikament? Betablocker ist die Kurzform für „Betarezeptoren-Blocker“. Betarezeptoren befinden sich in Blutgefäßen zum Beispiel des Herzens, der Nieren und der Bronchien. Sie dienen als Andockstelle für Hormone, wie beispielsweise den sogenannten Stresshormonen. Am bekanntesten aus dieser Hormongruppe sind das Adrenalin und das Noradrenalin. Ihre Aufgabe ist es, noch aus Urzeiten angelegt, den Körper auf Gefahren und Flucht vorzubereiten. Dieses geschieht durch Verengung der Blutgefäße, Erhöhung der Herzfrequenz, Seigerung der Atemfrequenz und Anstieg des Blutdrucks.

Um diese Stressreaktionen des Körpers zu vermeiden, setzen Betarezeptorenblocker an den Betarezeptoren an und verhindern ein „Andocken“ der Hormone. Der Blutdruck wird gesenkt, die Herz- und Atemfrequenz reduziert. In der Behandlung von Bluthochdruck und Herzkranzgefäßverengung oder nach einem Herzinfarkt kommen Betablocker regelmäßig zum Einsatz.

Foto: PD Dr. Fikret Er, Chefarzt der Kardiologie am Klinikum Gütersloh, findet mit seiner Forschungsgruppe einen neuen Weg in der Herzinfarkttherapie.