Motor der deutsch-französischen Freundschaft

55 Jahre Elysée-Vertrag – Vortrag von Ingo Espenschied leuchtet unterhaltsam ein komplexes Thema der Nachkriegsgeschichte aus.

Gütersloh. Hätten Sie’s gewusst? Der Elysée-Vertrag aus dem Jahr 1963, ein Jahrhundert-Dokument für die deutsch-französischen Beziehungen, wurde auf deutscher Seite in einer Mappe des Modehauses Hermès vorgelegt und mit einem schwarz-rot-goldenen Geschenkband aus einem Pariser Kaufhaus verifiziert. Eine kleine Anekdote am Rande, aber doch typisch für einen sehr unterhaltsamen Vortrag zu einem komplexen Kapitel europäischer Nachkriegsgeschichte, zu dem die deutsch-französische Gesellschaft Gütersloh zusammen mit der Stadt und der Sparkasse Gütersloh-Rietberg in dieser Woche (17.1.2018) eingeladen hatte. Ingo Espenschied, Journalist und Politologe hat dazu ein Multimedia-Format entwickelt, das in einer Mischung aus Live-Text, Bildern und Filmeinblendungen ein sehr spannendes Ganzes ergibt, das für Historiker-Laien wie für Fachleute noch die eine oder andere Überraschung bereit hält. Nicht immer gehen Geschichte und Unterhaltung ein solch gelungene Partnerschaft ein. Deshalb ist Espenschied offensichtlich auch in Schulen ein gefragter Referent. Anlass für die Veranstaltung in der Aula des Evangelisch Stiftischen Gymnasiums war die Erinnerung an den 55. Jahrestag der Unterzeichnung des Elysée-Vertrags, mit dem Konrad Adenauer und Charles de Gaulle die deutsch-französische Zusammenarbeit festschrieben, deren Inhalte – so z.B. regelmäßige Konsultationen – auch heute noch Bestand haben. Das Dokument nahm aber auch die Jugend in den Fokus und begründete einen intensiven Austausch, etwa über das deutsch-französische Jugendwerk.

ElyseeAus Feinden werden Freunde – das ist der Motor, der die beiden Staatsmänner, beide noch „Kinder“ des 19. Jahrhunderts und einer nationalstaatlichen Gedankenwelt, in der man sich als „Erbfeinde“ gegenüberstand, in ihrem Handeln antrieb. Beide auch gewiefte Politiker mit klaren Zielvorstellungen im Gefüge der Nachkriegszeit. Und: Beide – so stellte sich nach dem ersten „informellen“ Treffen 1958 im Heimatort von de Gaulle schnell heraus – „konnten“ es offensichtlich miteinander. Espenschied geht zwar weit in die Geschichte der Staatenentwicklung zurück, bis hin zu Karl dem Großen – aber die Chronologie ist bestenfalls der Hintergrund für die Geschichten, die er zu erzählen weiss. So die Arabeske mit dem Geschenkband und der Hermès-Mappe. Grund dafür war, so Espenschied, die Tatsache, dass Adenauer seine Begleiter vom Auswärtigen Amt anscheinend nur sehr vage über seine Ziele für den Paris-Besuch 1963 informiert hat. So rechnete man zwar mit Ergebnissen, nicht aber mit einem Vertragswerk. Es ist ein Verdienst dieses Vortrags, dass Espenschied solche Anekdoten und Erinnerungen von Zeitzeugen nahtlos immer wieder in das große Ganze der geschichtlichen Entwicklung einordnet. Dazu gehört die Entwicklung der Europäischen Union ebenso wie der Schüleraustausch, die große Politik wie die Dynamik von Städtepartnerschaften. Darauf hatte Bürgermeister Henning Schulz in seinen Grußworten hingewiesen: „Freundschaften müssen gelebt werden,“ sagte er, und dazu zählt er auch die Aktivitäten der deutsch-französischen Gesellschaft, die unter anderem in diesem Jahr wieder eine Fahrt nach Châteauroux anbietet. Und mit Bezug auf das Thema verwies Schulz auf die zweite gemeinsame Ausstellung, die Historiker aus Châteauroux und Gütersloh zur Zeit über die Zeit des Zweiten Weltkriegs in ihren beiden Städten vorbereiten. „Die gemeinsame Arbeit an einem so sensiblen Thema kann nur gelingen, weil man seit vier Jahrzehnten diese Partnerschaft lebt und einander vertraut.“ Auch dafür hat der Elysée-Vertrag eine Basis geschaffen.

Bild: Erinnerung an die Basis deutsch-französischer Zusammenarbeit: (v.l.) Dr. Wolfgang Hellmeier, Vorsitzender der deutsch-französischen Gesellschaft Gütersloh, Ingo Espenschied, Bürgermeister Henning Schulz, und Kay Klingsieck, Vorstand der Sparkasse Gütersloh-Rietberg