Mindener Museum – Objekt im Fokus in den Monaten November & Dezember

Objekt im Fokus „Teilnahmebescheinigung für den Handball-Olympia-Lehrgang der Deutschen Turnerschaft, 1927, für den Mindener Hans Wilms“

In der Sammlung des Mindener Museums werden rund 60.000 Objekte bewahrt. Trotz Dauer- und Sonderausstellungen oder Leihgaben an andere Museen lagern 95% der Sammlung verborgen im Magazin. Die Vielfalt und die Geschichte der Sammlung und das Wissen über die Objekte stellt das Museumsteam regelmäßig in Kabinettausstellungen vor. Alle zwei Monate wird außerdem ein „Objekt im Fokus“ im Foyer des Museums ausgestellt und dort seine Geschichte erzählt.

MindenerMuseumDas Objekt im Fokus in den Monaten November und Dezember ist eine Teilnahmebescheinigung für den Mindener Turner Hans Wilms (1906- 1998) vom MTV 1860 Minden, der 1927 an einem Handball-Lehrgang der Deutschen Turnerschaft zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 1928 in Amsterdam teilnimmt. Anlass der Präsentation und Auswahl des Objektes ist das 100jährige Jubiläum des Handballspiels.

Der Erste Weltkrieg ist Motor der massenhaften Verbreitung von Turnen und Sport in Deutschland. 1917 entsteht ein neues Sportspiel, das in den folgenden Jahren und Jahrzehnten zunächst als Feldhandball und später als Hallenhandball die Massen begeistert: Handball – das deutsche Spiel!

Entscheidende Antriebskräfte für die Entstehung des modernen Feldhandballs liegen in Berlin. Seit 1915 werden dort Torballspiele für Frauen ausgetragen. Die Geburtsstunde des Handballspiels schlägt vor 100 Jahren am 29. Oktober 1917: Max Heiser benennt das Torball in „Handball“ um. Aber im Krieg hat dieses Spiel nur wenig mit dem späteren Feldhandball gemeinsam! 1919 begründet Carl Schelenz (1890-1956, Foto) Spielidee und Regelwerk des Feldhandballs. Handball wird zum „deutschen Kampfsport“ umgestaltet und bewusst als Gegenmodell zum englischen Fußball entwickelt. Seit 1920 verbreitet er sich überall in Deutschland und darüber hinaus.

In der Weimarer Republik boomt der Sport. Neben reinen Fachverbänden wie dem Deutschen Fußballbund (DFB) gibt es sportartübergreifende Verbände wie die Deutsche Turnerschaft (DT), die Deutsche Sportbehörde für Leichtathletik (DSBfL), den Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB) und konfessionelle oder berufsständische Turnorganisationen wie „Eichenkreuz“ (CVJM), „Deutsche Jugendkraft“ (DJK) oder die Turnergilde des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes (DHV). 1927 bestehen in Deutschland allein 65 turn- und sporttreibende Verbände, die weder gemeinsame Wettkämpfe austragen, noch einzelne Sportarten nach einheitlichen Regeln praktizieren.

Zahlreiche Turn- und Sportverbände rezipieren das neue Spiel in kurzer Zeit: Die Deutsche Turnerschaft, die Deutsche Sportbehörde für Leichtathletik und der Arbeiter-, Turn- und Sportbund bauen einen eigenen Spielbetrieb auf. Konfessionell gebundene Turnorganisationen wie „Eichenkreuz“ oder „Jugendkraft“ engagieren sich ebenfalls für das neue Sportspiel. Spätestens seit 1930 gehört Handball zu den zehn populärsten Sportarten in Deutschland.

Neben den Verbänden findet Feldhandball weite Verbreitung in den (Volks-)Schulen. Schelenz erhält einen Lehrauftrag an der 1920 gegründeten Deutschen Hochschule für Leibesübungen in Berlin und vermittelt den künftigen Turnlehrern Spielidee und Regelwerk des Handballs. Die Einführung von Reichsjugendwettkämpfen mit Spielfesten in Handball und Fußball fördert die Verbreitung des neuartigen Spiels zusätzlich. Um 1930 hat der Feldhandball das ehemals beliebte Schlagballspiel in den Schulen fast verdrängt. Die Verbreitung des Spiels in den Volksschulen und höheren Lehranstalten wirkt auf die Sport- und Turnvereine zurück und begünstigt dort die Entstehung weiterer Mannschaften.

Das erste Handballspiel, das sich in der Region nachweisen lässt, findet am 23. März 1923 zwischen dem MTV 1860 Minden und einer Polizeimannschaft aus Minden statt. Die Turnvereine spielen in den Sommermonaten Schlagball und Faustball, ehe der Feldhandball rasch die beiden anderen Turnspiele überflügelt. Der Turnerpass von Hans Wilms zeigt, dass er 1925 für den Spielbetrieb im Faustball und im Winter 1925/26 für Handball gemeldet wird. Gut zwei Jahre später nimmt er Anfang Oktober 1927 an einem Olympia-Vorbereitungs-Lehrgang in Berlin teil. Erstmals nach dem Ersten Weltkrieg soll Deutschland wieder an den Olympischen Spielen in Amsterdam teilnehmen. Handball wird allerdings nicht wie erhofft, in die olympischen Wettbewerbe aufgenommen. Die halbhohen Stollenschuhe aus der Zeit um 1930 wurden beim Feldhandball getragen.

Foto: ©Mindener Museum