Im Barockjahr 2017 erinnert Tschechien an Santini-Aichel

Gleich zwei UNESCO-Welterbestätten in Tschechien sind mit dem Namen Johann Blasius Santini-Aichel verbunden. Er schuf mit der Barockgotik einen einzigartigen Baustil, der nur in Böhmen und Mähren zu finden ist. Die tschechische Tourismusorganisation hat 2017 zum Jahr des Barocks erklärt, um das reiche Erbe im Land zu präsentieren. Santini hat dabei einen besonderen Stellenwert.
Johann Blasius Santini-Aichel (1677-1723), dessen Familie aus Italien nach Prag gezogen war, wurde nur durch Zufall Architekt. Mit einer körperlichen Behinderung geboren, konnte er den väterlichen Beruf des Steinmetzes nicht ausüben. Stattdessen widmete er sich der Malerei und Baukunst. Lehrjahren in Prag folgten Reisen nach Holland, England und Italien, bevor er mit 23 seinen ersten großen Auftrag bekam. Er leitete den Umbau des Zisterzienserklosters in Zbraslav, heute ein Stadtviertel von Prag. Sein außergewöhnliches Talent sprach sich schnell herum und so folgten Aufträge für weitere Kirchen, Klöster und Schlösser. Mehr als 80 Bauwerke sind mit seinem Namen verbunden, darunter einige der bedeutendsten in Tschechien. Santini, der bereits mit 46 Jahren starb, gilt als einer der bedeutendsten Baumeister seiner Zeit in Europa.
Noch drei Jahrhunderte später beeinflusste er die Kunst der tschechischen Kubisten.  Sein wichtigstes Werk befindet sich in der zwischen Prag und Brünn gelegenen mährischen Kleinstadt Žďár nad Sázavou (Saar). Die von Santini errichtete Wallfahrtskirche zum heiligen Nepomuk gehört seit 1994 zum Weltkulturerbe der UNESCO. Schon seit 1706 war der Architekt mit Arbeiten am Zisterzienserkloster von Saar betraut, bevor er vom Abt mit dem Neubau der Wallfahrtskirche für den Märtyrer beauftragt wurde. Sein Stil der Barockgotik zeigt sich dort auf eindrucksvolle Art. Der leicht und filigran wirkende Baukörper ist barock geformt, während Details, zum Beispiel die Fenster, an gotische Gotteshäuser erinnern. Mit dem Rückgriff auf die Geschichte zeigt er sich seiner Zeit weit voraus – und so wirkt der Bau bis heute modern und extravagant.
Eine zentrale Bedeutung für die Komposition des Sakralbaus hat die Zahl Fünf. Der Legende nach sollen fünf Sterne den Leichnam des Johannes von Nepomuk umgeben haben, als man diesen in der Moldau fand. Santini baute die Wallfahrtskirche auf dem Grundriss eines fünfzackigen Sterns. In der Umfassung wechseln sich je fünf Kapellen mit dreieckigem und ovalem Grundriss ab. Es gibt fünf Zugänge zu der Anlage und im Inneren der Kirche fünf Gänge sowie fünf Altare. Fünf Engel und fünf Sterne prägen den von Santini selbst entworfenen Hauptaltar.
Die Kirche entwickelte sich im 18. Jahrhundert zu einem wichtigen Wallfahrtsort und zieht heute viele Architekturbegeisterte an. In dem später zum Schloss umgebauten Kloster von Saar können sich Besucher auf die Spuren des genialen Architekten begeben. Ein modernes Museum widmet sich dort Santini und seinem wichtigsten Werk. Zu sehen ist auch barocke Kunst aus der Sammlung des Prager Nationalmuseums. In der Umgebung von Brünn finden sich weitere interessante Bauten, die mit Santinis Namen verbunden sind. Dazu gehören die prächtige Wallfahrtskirche von Křtiny (Kiriteyn) oder das Benediktinerkloster in Rajhrad (Groß Raigern).
image-1.phpAuf der Liste des UNESCO-Welterbes steht auch die Klosterkirche Mariä Himmelfahrt in Sedlec, einem Vorort von Kutná Hora (Kuttenberg) in Mittelböhmen. Ihr Umbau im Stil der Barockgotik war eine der ersten großen Arbeiten von Santini und steht beispielhaft für die Verbindung des Barocks mit der Gotik und damit der großen Zeit Böhmens unter Karl IV. Diese Synthese lässt sich auch in der Klosterkirche von Kladruby (Kladrau) in Westböhmen gut erkennen. Nicht weit davon entfernt befindet sich mit dem heute als Regionalmuseum genutzten Zisterzienserkloster Mariánská Týnice (Maria Teinitz) ein weiteres Meisterwerk von Santinis Barockgotik.
Wer auf den Spuren des berühmten Architekten wandelt, sollte auch in Prag Station machen, wo Johann Blasius Santini-Aichel im Schatten der Burg geboren wurde, lebte und unter anderem für den Umbau des heute als US-Botschaft genutzten Palais Schönborn verantwortlich war. In seinem ehemaligen Wohnhaus auf der Prager Kleinseite kann man in den Mehrbettzimmern des Hostels Santini das barocke Ambiente genießen. Nicht weit davon entfernt wurde Santini 1723 auf dem Friedhof der Johannes-Kirche beerdigt. Der Friedhof wurde später eingeebnet, dort befindet sich heute ein Gartenrestaurant das den Namen Santinis trägt.
Informationen:
Die Wallfahrtskirche von Žďár nad Sázavou befindet sich etwa 80 km von Brünn entfernt und ist von dort auch per Bus oder Bahn erreichbar. Das Museum im Schloss bietet auch Führungen auf den Spuren von Santini-Aichel an. Infos und Öffnungszeiten www.zamekzdar.cz Infos in englischer Sprache über das Werk von Santini-Aichel unter www.santini.cz Weitere Informationen über Reisen nach Tschechien bei CzechTourism, www.czechtourism.com Auf der Website sind auch deutschsprachige Reiseführer über das barocke Tschechien erhältlich. Infos zum Hostel Santini unter www.hostelsantiniprague.com und zum Restaurant Santini Garden unter www.santinigarden.cz