Heikle Mission im Heiligen Land

Dr. Martin Kroker vom LWL-Museum in der Kaiserpfalz spricht über die Bedingungen bei der Exponat-Beschaffung für neue Ausstellung

Paderborn . Ab dem 8. Mai präsentiert der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in Paderborn die neue Sonderausstellung „Leben am Toten Meer – Archäologie aus dem Heiligen Land“, die zurzeit in Chemnitz zu sehen ist. Zur Region um das Tote Meer hat es weder in Deutschland noch in Europa je eine Ausstellung gegeben, obwohl die Entdeckung der Schriftrollen in den Höhlen von Qumran vor zirka 70 Jahren um die Welt ging. Die Ausstellung bietet einen Überblick über die Kulturlandschaft entlang des Toten Meeres. Doch die angespannte politische Situation, die zwischen Israelis und Palästinensern herrscht, machte die Arbeit unter Ausstellungsmachern und Leihgeberinnen manchmal schwierig. Dr. Martin Kroker, Museumsleiter des LWL-Museums in der Kaiserpfalz, erzählt im Gespräch, wie die Kooperation mit den ausländischen Leihgebern funktioniert hat und was bei den Exponaten zu beachten war.

Dr. Martin Kroker blättert durch den Ausstellungskatalog zur Ausstellung "Leben am Toten Meer". Foto: LWL/Rütershoff

Dr. Martin Kroker blättert durch den Ausstellungskatalog zur Ausstellung „Leben am Toten Meer“.
Foto: LWL/Rütershoff

Herr Kroker, worum geht es in der neuen Sonderausstellung?
Thema der Sonderausstellung ist das Leben am Toten Meer. Die Region um das Tote Meer ist nicht nur der tiefste Punkt der Erde, der nicht von Wasser bedeckt ist, sondern konfrontiert Menschen auch mit einer lebensfeindlichen Umgebung. Dennoch haben sich über viele Jahrtausende hinweg Menschen hier niedergelassen, bauten Siedlungen, Festungen und Kultstätten. Sie nutzten die natürlichen Höhlen über Jahrhunderte als Zufluchtsorte und haben dort Alltags- und Wertgegenstände hinterlassen. Die Ausstellung zeigt die Kulturgeschichte der Region in einer zeitlichen Tiefe von 12.000 Jahren und anhand von acht Themenfeldern. In der Ausstellung sind viele Exponate, die in Europa noch nie gezeigt wurden, zum Teil sogar überhaupt zum ersten Mal zu sehen sind.

Die Ausstellung befasst sich mit einer Region, die im Herzen des Nahost-Konflikts angesiedelt ist. Inwieweit spielte das eine Rolle bei der Realisierung der Ausstellung?
Es ist schon richtig viel Arbeit für die Ausstellungsmacher gewesen. Die Museumsdirektorin und Ausstellungsmacherin Dr. Sabine Wolfram vom Staatlichen Museum für Archäologie in Chemnitz war sehr oft in Israel, im Westjordanland und Jordanien unterwegs, um Exponate auszusuchen, um zu verhandeln. Kurator Martin Peilstöcker, der über 20 Jahre in Israel und Jordanien gearbeitet und gelebt hat, hat in Magazinen und Museen Funde gesucht, die von der Israelischen Antikenverwaltung verwahrt werden. Bei einigen Verhandlungen hat man versucht, das Auswärtige Amt einzuschalten und mit prominenten Fürsprechern etwas zu erreichen. Doch der politische Konflikt in der Region zwischen Jordanien, Israel und den palästinensischen Gebieten ist inzwischen so festgefahren, dass auch Ausstellungsprojekte in Europa davon berührt werden.

Wer sind Ihre Leihgeber und wie war die Zusammenarbeit mit ihnen?
Der überwiegende Teil der Leihgaben stammt von der Israelischen Antikenverwaltung und aus dem Israel-Museum in Jerusalem, leider jedoch nicht aus dem Westjordanland und Jordanien. Das Ashmolean Museum Oxford, das British Museum in London und das Vorderasiatische Museum der Staatlichen Museen zu Berlin stellten Funde vom jordanischen Ostufer des Toten Meeres und zahlreiche Exponate aus Jericho, der „ältesten Stadt der Welt“ im Westjordanland, zur Verfügung. Auch andere europäische Museen verliehen bereitwillig. Alles in allem eine Liste an renommierten Leihgebern, die uns ihre Schätze monatelang überlassen haben.

Die Zusammenarbeit mit dem Israel-Museum, einem der wichtigsten enzyklopädischen Museen der Welt, und der Israelischen Antikenverwaltung, war professionell und erfolgreich. Das gilt auch für alle anderen Leihgeber. Die Exponate, die aus Jerusalem nach Paderborn kommen, werden von Restauratoren und Wissenschaftlerinnen zum Aufbau der Ausstellung begleitet.

Wie waren Behörden bei der Realisierung involviert?
Einige Anfragen liefen über das Auswärtige Amt und seine Botschaft in Amman sowie die Vertretung in Ramallah.

Spannend war ein Termin im Haus der Vertretung der Bundesrepublik bei der palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah. Es war eine sehr aufregende Fahrt dahin, da Ramallah Hochsicherheitsland ist, wo man nicht so ohne Weiteres mit einem israelischen Taxi hinfahren kann. Vor Ort hatte die deutsche Botschaft das gut vorbereitet, hatte den Leiter der palästinensischen Antikenverwaltung – bei uns Bodendenkmalpflege – und einen Professor der Birzeit-Universität eingeladen. Wir haben uns als Kollegen gut verstanden und fachlich diskutiert.

Die Frage, ob das eine reine Israel-Ausstellung werden solle, verneinten wir als Ausstellungsmacher und betonten, dass die Inhalte durch uns bestimmt würden. Natürlich sei uns bewusst, dass Jordanien und auch die palästinensischen Gebiete an das Tote Meer angrenzen und das würden wir mit Leihgaben aus Palästina auch sehr gerne zeigen. Leider konnten die beiden Kollegen keine Zusage geben, denn das müsse von ganz oben entschieden werden. Die anschließende Anfrage an die Autonomiebehörde ist leider ohne Antwort geblieben. Hier sind wir nicht weitergekommen, anderswo schon.

Welche Rolle spielte die persönliche Zusammenarbeit?
Von den Kollegen aus Palästina haben wir Literatur und Tipps bekommen, aus welchem Privatbesitz oder aus welchen Museen wir noch Exponate ausleihen können, wenn sie selbst uns schon nicht mit Exponaten aushelfen konnten. Wenn man jemanden kennt, der so etwas beschleunigen kann, ist das natürlich sehr hilfreich. Und im Austausch hatte man dann auch einige Menschen kennengelernt, die man fragen konnte, wenn etwas nicht gleich funktionierte. Grundsätzlich ist bei internationalen Ausstellungen der regelmäßige persönliche Kontakt sehr wichtig, dass man die jeweilige Arbeitsweise, aber auch die Einrichtungen kennenlernt und die Entschiedenheit dokumentiert, mit der man ein Projekt vorantreibt.

Gab es konfliktbeladene Exponate?
Von konfliktbeladen könnte man bei den Schriftstücken aus den Qumran-Höhlen sprechen: Als die gefunden wurden, gehörte das Gebiet zu Jordanien, heute zur sogenannten Westbank, ist also palästinensisches Autonomiegebiet. Die Palästinenser, die in der Region leben, erheben Anspruch darauf – aber Israel natürlich auch, denn für Juden sind die Funde von großer Bedeutung, da die Texte in die Hebräische Bibel eingegangen sind. Das Besitzverhältnis der Fragmente ist daher nicht geklärt. Die Fundstücke gibt es nun im Israel-Museum. Von dort hätte man uns Qumran-Stücke ausgeliehen, wenn die Bundesrepublik dem Museum eine Rückgabegarantie gegeben hätte. Das hat die Bundesregierung aber abgelehnt – ich vermute, weil ihr das zu riskant war. Um juristische und politische Verwicklungen zu vermeiden, haben wir dann lieber Fragmente aus der Universitätsbibliothek in Heidelberg geliehen.

Was ist bei den Exponaten zu beachten?
Die Auflagen für die Ausstellung sind diesmal besonders hoch. Das gilt insbesondere für empfindliche Textilien, die im trockenen Wüstenklima hervorragend erhalten geblieben sind. Sie dürfen z.B. nur bis zu 35 Lux an Licht bekommen, was schon sehr wenig ist. Normalerweise trennen wir die Exponate nicht nach Waren oder Arten, sondern versuchen sie im thematischen, historischen oder geografischen Kontext zu zeigen. Doch diesmal bekommen die herausragenden Textilien aus konservatorischen Gründen einen gesonderten Platz im Museum.

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