Das richtige Mindset für Tech & Data ist jetzt da“

Interview mit Rolf Hellermann

Gütersloh. Vor einem Jahr hat Bertelsmann das Tech & Data Advisory Board gegründet. Die Leitung hatRolf Hellermann. Im Interview spricht er über erste Meilensteine und Erfolge in der Arbeit des Board, über eine große Offenheit für Tech-Themen bei Bertelsmann, aber auch über die Schubwirkung der Corona-Krise auf die digitale Transformation des Unternehmens.

Herr Hellermann, vor gut einem Jahr haben Sie die Bertelsmann Tech Agenda vorgestellt und die Leitung des Tech & Data Advisory Board übernommen. Wie weit sind Sie seitdem in der Umsetzung der Agenda und der Arbeit im Board vorangekommen? 

Rolf Hellermann: Das Tech & Data Board ist so vielfältig wie Bertelsmann selbst. Es vereint unterschiedliche Menschen, Funktionen, Länder und Ebenen. Da war es wichtig, zum einen Transparenz über all die Aktivitäten zu schaffen, die im Bereich Technologie und Daten an verschiedenen Stellen im Konzern schon laufen. Zum anderen brauchten wir ein gemeinsames Verständnis davon, was wir mit dem Board erreichen wollen. Beides ist uns gelungen. Wir gehen mit einem klaren Ziel in unser zweites Jahr, das mit dem Dreiklang Austausch, Koordination und Umsetzung am besten umschrieben ist. Während sich die Koordination, also die Abstimmung gemeinsamer Sichtweisen auf technologische Strukturen und möglicherweise gar Standards bei Bertelsmann, naturgemäß als dickes Brett erweist, das wir noch lange bohren werden, sind wir gerade beim gegenseitigen Austausch sehr gut vorangekommen. Wir haben Transparenz geschaffen und informieren uns fortlaufend über Prioritäten und Projekte in den Unternehmensbereichen, identifizieren Gemeinsamkeiten und stärken die Zusammenarbeit in der Gruppe. Jeder von uns hat den Bedarf, sich mit den anderen auszutauschen, denn wir stehen alle vor denselben technologischen Herausforderungen, arbeiten teilweise an denselben Lösungen. Und im Bereich Daten kann keiner von uns für sich allein etwas ausrichten, vor allem nicht im Wettbewerb mit globalen Datensammlern wie Facebook, Amazon oder Google.

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Rolf Hellermann: Das richtige Mindset für Tech & Data ist jetzt da“. Foto: Bertelsmann

Sie nannten konkrete Umsetzungen als dritte Priorität Ihrer Arbeit. Wie ist da der Stand?

Rolf Hellermann: Richtig gut. Das gilt vor allem für unsere beiden Kernprojekte, das Bertelsmann ID Framework und die Bertelsmann Collaboration Platform. Jedem im Board, wenn nicht jedem bei Bertelsmann, ist inzwischen klar, dass es im Interesse aller ist, wenn wir über die Grenzen unserer Geschäfte hinweg Daten teilen und nutzen können. Dazu brauchen wir zuallererst eine Grundstruktur – technisch wie rechtlich –, die eben dies ermöglicht: das Bertelsmann ID Framework. Das Rahmenkonzept steht; ich freue mich, dass der Investitionsantrag gerade genehmigt worden ist. Wir hoffen, dieses zentrale Projekt in der zweiten Jahreshälfte umsetzen zu können. Es basiert auf einer Lösung, die in der Ad Alliance entwickelt wird und nun so ausgeweitet wird, dass sie sich konzernweit anwenden lässt. Das ist die Basis einer künftigen Bertelsmann-Datenallianz.

Und welche Rolle spielt dann noch die Bertelsmann Collaboration Platform?

Rolf Hellermann: Sie soll zu einer Art „One-Stop-Shop“ für alle Technologie- und Datenprofis bei Bertelsmann werden. Sie werden dort alles finden, was sie brauchen, um sich zu vernetzen und Unterstützung für ihre Digitalisierungsprojekte zu erfahren. Technisch bauen wir neben einem Showroom für interessante Fallbeispiele einen sogenannten API-Store. API steht für Application Programming Interfaces, also für Programmierschnittstellen, die dort gegenseitig zur Verfügung gestellt werden. Hier laufen gerade erste erfolgversprechende Beta-Tests.

Noch im Laufe des Jahres wollen wir den Store weiter ausrollen. Drittes Element der Plattform wird ein Expertennetzwerk sein für den Austausch der Technologie- und Daten-Community bei Bertelsmann. Auch erste Teile dieses Element sollen noch 2020 in Betrieb gehen.

Haben sich die drei Schwerpunkte der Technology Heatmap – Daten, Cloud und künstliche Intelligenz – als die richtigen Aktionsfelder für Bertelsmann erwiesen?

Rolf Hellermann: Sie haben sich auf ganzer Linie als richtig und wichtig für Bertelsmann bestätigt. Sie beschäftigen jedes Geschäft, jeden Bereich und den Konzern in Gänze. Es sind große Themenfelder, in denen viel passiert und die uns lange begleiten werden. Ich glaube, es macht wirklich Sinn, sich hier klar zu fokussieren. Wir hatten auf der Technology Heatmap ja durchaus noch andere möglicherweise interessante Trends und Themen identifiziert, aber keines hat aktuell übergreifend dieselbe Relevanz wie Cloud, Daten und künstliche Intelligenz für Bertelsmann. Und Thomas Rabe lässt keinen Zweifel daran, wie ernst es ihm ist, in diesendrei Feldern mit allen Geschäften voranzukommen. Das gibt uns Rückenwind.

Gegenwind hat auch das Tech & Data Board durch die Corona-Pandemie bekommen …

Rolf Hellermann: … nicht nur. Die Corona-Krise hat für die Digitalisierung sicher noch einmal als Beschleuniger gewirkt. Und das auf zwei Ebenen: Digitale Geschäftsmodelle haben sich in der Krise im Vergleich zu nicht digitalen häufig als robuster erwiesen. Diese Erkenntnis war vielleicht nicht neu, aber die Dringlichkeit einer weitreichenden digitalen Transformation hat Corona noch einmal unterstrichen. Hinzu kommt aber noch ein zweiter Aspekt.

Welcher denn?

Rolf Hellermann: Ohne die mittlerweile fast flächendeckende Einführung des Future Workplace, ohne die Verfügbarkeit von Dateien in der Cloud, ohne Videocalls sowie das Management von IT-Sicherheit und Datenschutz wären der konzernweite Umzug ins Homeoffice und damit die Aufrechterhaltung vieler Geschäfte unmöglich gewesen. Was heute dank der fortgeschrittenen Digitalisierung unserer Arbeitsprozesse so gut gelaufen ist, wäre vor vier oder fünf Jahren noch undenkbar gewesen. Welche Lehren auch immer wir aus Corona ziehen werden, die Möglichkeit, in vielen verschiedenen Jobs von überall aus zu arbeiten, gehört dazu.

Aber es gibt auch negative Folgen der Krise.

Rolf Hellermann: Natürlich. Bei aller Freude an technisch funktionierenden Skype- oder Teams-Calls: Sie sind nicht gerade das Nonplusultra, wenn es darum geht, ein neues Team zusammenzuschweißen. Und das Tech & Data Advisory Board war ein neues, zudem, wie gesagt, sehr heterogen besetztes Team. In einem solchen Team etwas ganz Neues zu entwickeln, ist nur mit virtuellen Meetings wirklich nicht einfach. Von daher freue ich mich, wenn wir uns zu gegebener Zeit auch wieder persönlich werden treffen können.

Wie weit ist es noch bis zu einem Bertelsmann als „führender Anwender neuer Technologien in den Branchen Medien, Services und Bildung“, wie es Thomas Rabe vorschwebt?

Rolf Hellermann: Der ganz wichtige erste Schritt dorthin ist jedenfalls getan: Das entsprechende Mindset ist da. Das Thema Technologie und Daten und seine Bedeutung für Bertelsmann sind wirklich überall fest verankert. Es wird jetzt verstärkt gemeinsam umgesetzt. Konkrete Beispiele sind etwa bei der RTL Group der Aufbau und die Entwicklung von Onlinevideo-

Plattformen oder neuer Werbetechnologien. Beides geschieht geschäfts- und sogar grenzübergreifend in einer Form der Zusammenarbeit, die zumindest ich bei Bertelsmann so noch nicht erlebt habe. So wie die RTL Group hat auch jedes andere Geschäft seine strategische Stoßrichtung im Bereich Tech und Data definiert und arbeitet an der Umsetzung. Hinzu kommt, dass das CIO-Team um Matthias Moeller, mit dem wir eng zusammenarbeiten, seinerseits alles tut, um das Bewusstsein für technologische Themen zu schärfen und die infrastrukturellen Voraussetzungen zu schaffen.

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