Das ostjüdische Antlitz Porträtlithografien von Hermann Struck

Dorsten. Vom 19. Januar bis 15. März 2020 zeigt das Jüdische Museum Westfalen, Dorsten, die Ausstellung „Das ostjüdische Antlitz“. Sie zeigt Porträts jüdischer Menschen aus Osteuropa, die vor hundert Jahren während des Ersten Weltkriegs von dem aus Berlin stammenden deutsch-jüdischen Künstler Hermann Struck (1876–1944) gezeichnet wurden. Entstanden sind sie in den von deutschen Truppen eroberten westlichen Gebieten des Russischen Reiches – dem heutigen Polen, Litauen, Lettland und Weißrussland. Die Porträt-Lithografien zeigen die Köpfe der Menschen und konzentrieren den Blick des Betrachters auf das Wesentliche, das Typische der ostjüdischen Menschen – Menschen, die gut zwanzig Jahre später in der Shoa ermordet worden sind.
Hermann Struck, Gepäckträger (Copyright: Helmut Zimmermann/Jüdisches Museum Westfalen)

Hermann Struck, Gepäckträger (Copyright: Helmut Zimmermann/Jüdisches Museum Westfalen)

Die künstlerische Auseinandersetzung Strucks mit dem menschlichen Gesicht datiert aber schon lange vor dem Ersten Weltkrieg. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts war Hermann Struck in Berlin als Porträtmaler bekannt, schuf einzigartige Radierungen von Sigmund Freud, Albert Einstein, Gerhart Hauptmann und anderen berühmten Persönlichkeiten. In der Radiertechnik war Hermann Struck ein Meister seines Faches, lehrte „Die Kunst des Radierens“ – so der Titel seines bis heute als Standardwerk geltenden Buches über diese künstlerische Technik – den Malern Lovis Corinth, Josef Budko, Lesser Uri, Max Liebermann und Marc Chagall. Seit 1915 diente Hermann Struck als Mitarbeiter der Presseabteilung des Oberkommandos Ost der Deutschen Armee in Kowno (Kaunas, Litauen) und war dort Referent für jüdische Angelegenheiten.

In dieser Funktion entdeckte er in den ostjüdischen Gemeinden das seiner Meinung nach wahre, unverstellte und echte Judentum, gegenüber dem das westlich-assimilierte Judentum in Mittel- und Westeuropa nur Folklore sei. Konsequenterweise emigrierte Hermann Struck, der mit hebräischem Namen Chaim Aharon ben David hieß, nach dem Ersten Weltkrieg im Jahr 1922 nach Palästina. Dort gab er dem dortigen Kunstleben nachhaltige Impulse und lebte bis zu seinem Tod 1944 in Haifa. Ähnliche Erfahrungen mit dem Judentum Osteuropas wie Hermann Struck machte auch der deutsch-jüdische Schriftsteller Arnold Zweig (1887–1968), der sich 1917 von Verdun nach Kowno (heute Kaunas) versetzen ließ. Er schrieb das Buch „Das ostjüdische Antlitz“, dem er 52 Porträtzeichnungen Strucks – sie begegneten sich in Kowno – zur Illustration seines Essays beigab. Das Buch erschien erstmals 1920. Aus ihm stammen die meisten Bilder der gleichnamigen Ausstellung in Dorsten, ergänzt um einige Skizzen Hermann Strucks aus Litauen, Kurland und Weißrussland. Die Ausstellung wurde von Sammler Helmut Zimmermann, Waldbrunn/Ww, in vielen Jahren zusammengetragen. Die Ausstellung ist geöffnet  dienstags bis freitags von 10.00 bis 12.30 Uhr und 14.00 bis 17.00 Uhr  samstags, sonntags und an Feiertagen von 14.00 bis 17.00 Uhr.

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