Brisante Träume – Die Kunst der Weltausstellung

Brisante Träume - Ausstellungsbild Tarnung

Rob Voerman, Tarnung # 2, 2008, Holz, Glas, Plexiglas u.a., 600 x 600 x 300 cm © Der Künstler

Herford. Seit der ersten Weltausstellung in London 1851 haben sich die Expos zu einem weltweiten Spektakel entwickelt. Neben Technik, Wissenschaft, Politik und Unterhaltung spielte dabei auch die Kunst eine zentrale Rolle.  Bildgewaltig erwecken Marta Herford und das Kunstmuseum Ahlen mit der Kooperationsausstellung „Brisante Träume“ fünf Expos zwischen 1937 und 1970 zu neuem Leben. Während sich das Kunstmuseum Ahlen vor allem den historischen Zusammenhängen der Weltausstellungen widmet, entfachen im Marta Herford zeitgenössische Künstler*innen einen lebendigen Austausch mit der Geschichte. Parallel an zwei Orten finden so Themen wie das Menschenbild und Demokratie, Atom und Kosmos, Utopie und Technik zur „besten Weltausstellung der Welt“  zusammen.

„Die Künste als Botschafter der Nationen – seit über 150 Jahren beweisen die internationalen Weltausstellungen, dass Fortschritt nicht allein von Technik und Ökonomie bestimmt wird. Künstler*innen sind Gestalter der Zukunft.“ Roland Nachtigäller

Der Londoner Chrystal Palace, das Brüsseler Atomium, der Pariser Eiffelturm oder Picassos „Guernica“: Auch heute noch sind viele Bauten und Werke vergangener Weltausstellungen fest im allgemeinen Bewusstsein verhaftet. Im Zuge der Industrialisierung und des schnell wachsenden Welthandels sollte mit dem Konzept der Expo eine global wahrgenommene Leistungsschau entstehen, die die Bereiche Wirtschaft, Industrie und Wissenschaft umfasste. Seit Beginn der mittlerweile 167-jährigen Expo-Geschichte hatten aber auch die Künste eine wichtige Funktion. Werke  wurden zum Indikator für politische und gesellschaftliche Fragestellungen oder dienten der Vermittlung nationaler Identität. Im Marta Herford werden mit zahlreichen Exponaten und Dokumenten die fünf richtungsweisenden Weltausausstellungen in Paris 1937, New York 1939/40, Brüssel 1958, Montreal 1967 und Osaka 1970 in den Dialog  mit zeitgenössischen Werken treten. Diese Zeitspanne von über 30 Jahren, in der sich die Welt politisch, technologisch und kulturell massiv verändert hat, entfaltet sich vor den Besucher*innen als lebendige Atmosphäre der Schaulust und fordert zugleich einen kritischen Blick auf die Vergangenheit und in die Zukunft heraus.

Paris 1937: Ingenieur*innen des Lebens
Das etwa 10 x 15 Meter große Werk „Air, fer, eau“ (1937) von Robert Delaunay scheint den Marta-Dom fast zu sprengen. Die gigantische Ansicht der pulsierenden Stadt Paris mit Eiffelturm und Eisenbahn, die sich in einem dynamischen Treiben aus Formen und Farben auflösen, wird seit der Weltausstellung 1937 erstmals wieder in Europa ausgestellt. Mit diesem Werk bezieht sich Delaunay sehr deutlich auf das Expo-Motto „Kunst und Technik im modernen Leben“. Ihm gegenüberliegend zeigt Angela Fette (*1970, Düsseldorf) auf 25 Metern Länge die Wandmalerei „Musikmaschine“ (2018) mit skulpturalen Elementen, die mit Bezug auf das Vorbild Delaunay den Stil des Orphismus weiterführt und die Malerei als poetische Form begreift.

Brisante Träume - Ausstellungsbild Dalí

Eric Schaal, Salvador Dalí and Gala in the ticket office of the „Dream of Venus“ pavilion at the New York World Fair of 1939, © Salvador Dali, Fundacio Gala Salvador Dali/Foto: Eric Schaal/© VG Bild-Kunst, Bonn 2018

New York 1939/40: Demokratie und Zerstörung
Unter dem Motto „Die Welt von morgen bauen“ präsentierte die Expo die utopische Stadt „Democracity“, die einen Tag im Jahr 2039 vorzeichnete. Dieses Modell propagierte die Demokratie als Garant für gesellschaftlichen Fortschritt und war im zentralen weißen Kuppelbau der Expo zu sehen. Mit seinem „Dream of Venus“-Pavillon  entwarf Salvador Dalí einen surrealistischen Gegenentwurf zum Expo-Motto. So waren die kunstvoll gestalteten „Tableaux vivants“ (lebende Bilder) deutlich erotisch aufgeladen und provokativ. Das Prinzip des Pavillons als temporäre Inszenierung greift auch Rob Voerman (*1966, Arnheim) mit „Entropic Empire“ (2018) auf: Im Innern seiner begehbaren, mit Karton verkleideten Installation befindet sich eine Sitzbank und ein Architekturmodell vom UNO-Hauptquartier in New York. Konzipiert vom ehemaligen Architektenteam um Le Corbusier und Oscar Niemeyer gilt der Funktionsbau bis heute als Symbol für Frieden und Völkerverständigung.

Brüssel 1958: Der mikroskopische Blick
„Fortschritt der Menschheit durch Fortschritt der Technik“ – die Brüsseler Expo brachte mit ihrem Blick auf die molekularen Strukturen der Welt das 102 Meter hohe „Atomium“ hervor, das die friedliche Nutzung der Atomkraft vermitteln sollte. Eines der umstrittensten Projekte jener Expo war jedoch der silberne Philips-Pavillon von Le Corbusier: Basierend auf der Idee eines elektronischen Gedichts war im Innern der zeltartigen Architektur eine Multimediashow aus Licht, Farben und Sound zu sehen. Auch bei Tim Berresheim (*1975, Aachen) verschmelzen verschiedene Medien und Dimensionen zu einem Gesamtkunstwerk. Seine farbintensiven, illusionistischen Bildwelten, die der Künstler mittels hochkomplexer Rechenprogramme generiert, lassen sich teilweise erst mittels einer 3D-Brille vollständig erfassen.

Montreal 1967: Aufbruch zu den Sinnen
Mit dem Motto „Der Mensch und seine Welt“ stellte die Weltausstellung in Montreal das individuelle Erlebnis in den Vordergrund, während die Grenzen zwischen Architektur und Installation zunehmend unscharf wurden. So initiierte Hugo Kükelhaus im deutschen Pavillon mit seinem „Naturkundlichen Spielwerk“ neue Formen der Mitmachkunst und auch in der kinetischen Kunst wird Energie als Phänomen erfahrbar: „Die Große Stehende“ (1966) von Otto Piene beeindruckt auch über 50 Jahre später mit ihrem Lichtspiel. Ganz in der Tradition der Weltausstellungen untersucht auch Nikolaus Gansterer (*1974, Wien) die Beziehung zwischen Kunst und Wissenschaft. In seinen „Maps of Bodying“ (2017) werden die Zusammenhänge von Wahrnehmen und Denken sichtbar. Auf Postkarten werden die Besucher*innen zu philosophisch-poetischen Gedankengängen über Wahrnehmung, Zeit und Raum verführt.

Osaka 1970: Träume von einer anderen Zukunft
Die erste Weltausstellung auf dem asiatischen Kontinent folgte dem Leitmotiv „Fortschritt und Harmonie für die Menschheit“. Der Pepsi-Pavillon war eine Kollaboration zwischen Wissenschaftlern, Ingenieuren und Künstlern rund um die E.A.T.-Gruppe. Im Außenbereich begrüßten die Besucher*innen bewegliche Skulpturen von Robert Breer, während in seinem verspiegelten Innern Performances sowie eine Laser-, Licht- und Klangshow präsentiert wurden. In einer kompletten Rauminstallation zeigt das Künstlerkollektiv Konsortium (Lars Breuer *1974, Köln – Sebastian Freytag *1978, Köln – Guido Münch *1966, Düsseldorf) historische Dokumente und Filmaufnahmen aus Osaka, die mit Bildern von der Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima 2011 aktualisiert werden.

Die Ausstellung ist ein Kooperationsprojekt mit dem Kunstmuseum Ahlen. Beide Ausstellungsteile ergänzen einander, stehen aber gleichzeitig für sich. Das Gesamtkonzept entstand in Kooperation mit Dr. Thomas Schriefers, Köln. Die Ausstellung wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und den Mondriaan Fonds. Weitere Unterstützer der Ausstellung in Form von Materialgaben sind JAB Anstoetz, Fine Print Digital Druck, Düsediekerbäumer Metallbau und Edeka Wehrmann.

Ausstellungsinformationen:
 
Direktor Roland Nachtigäller
Kuratorisches Team Franziska Brückmann, Friederike Fast, Ann Kristin Kreisel, Eva Wolpers
Exponate rund 200 Werke wie Malerei, Zeichnungen, Skulpturen, Videos, Fotografie, Installationen und zahlreiche historische Dokumente
Künstler*innen Mathieu Kleyebe Abonnenc, Tim Berresheim, Robert Breer, Le Corbusier, Salvador Dalí, Robert Delaunay, E.A.T. (Experiments in Art and Technology), Angela Fette, Nikolaus Gansterer, Konsortium (Lars Breuer, Sebastian Freytag, Guido Münch), Hugo Kükelhaus, Heinz Mack, Katja Novitskova, Otto Piene, Yvonne Roeb, Rob Voerman u.a.
Publikation Es erscheint ein offizielles Souvenirmagazin zur „besten Weltausstellung der Welt“. Preis: 10€
Ausstellungsfläche ca. 1200 qm
Laufzeit 13. Oktober 2018 – 10. Februar 2019
Ausstellungsort Marta Herford (Gehry-Galerien), Goebenstraße 2–10, D-32052 Herford
Öffnungszeiten Di–So und an Feiertagen 11–18 Uhr, jeden 1. Mittwoch im Monat 11–21 Uhr, 24., 25. und 31.12. geschlossen und Karfreitag, Neujahr ab 13 Uhr geöffnet
Eintritt Erwachsene 8 Euro, ermäßigt 4,50 Euro, Familien 17 Euro, Gruppen ab 10 Pers. 4,50 Euro/Pers., Schülergruppen ab 6. Klasse 1,50 Euro /Person. Freier Eintritt für Besitzer der HerfordKarte, Kinder unter 10 Jahren, Schüler und Studenten dienstags von 16–18 Uhr und am 1. Mittwoch im Monat von 18–21 Uhr, Deutsche Bank ArtCard, eine Begleitperson von Menschen mit Behinderungen mit dem Merkzeichen „B“
 
Kontakt/Infos
info@marta-herford.de
Tel.: +49-5221-99 44 30-0, Fax: Tel. +49-5221-99 44 30-23