Arbeit, Integration, Spracherwerb – der Integration Point Bielefeld

Integration-PointBielefeld. (MP) Man stelle sich folgende Situation vor: Gezwungenermaßen kommt man in ein fremdes Land, weil man aus dem eigenen – aus welchen Gründen auch immer – vertrieben wurde. Man steht mit nichts da, außer den Dingen, die man auf der Flucht tragen konnte. Nun möchte man sich so schnell wie möglich in dem neuen Land integrieren, sucht Arbeit, möchte der Armut und der Langeweile entkommen. Doch wie stellt man das am besten an? An wen kann man sich wenden? Schließlich ist man der Sprache des Landes nicht unbedingt immer mächtig oder weiß nicht, woher man „auf die Schnelle“ Hilfe bekommt. Das Leid dieser Menschen ist unvorstellbar: Aus dem eigenen Land vertrieben und im Ankunftsland fremd. Was passiert nun?
Genau aus diesem Grund eröffnete offiziell bereits am 12. Januar 2016 der Integration Point in Bielefeld. Dabei handelt es sich um ein neues kooperatives Angebot für Flüchtlinge, das in enger Zusammenarbeit von der Agentur für Arbeit mit dem Jobcenter Arbeitsplus Bielefeld und der Stadt Bielefeld ins Leben gerufen wurde und gefördert wird. Das Ziel der Einrichtung ist die erfolgreiche Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Daher ist es auch die erste Anlaufstelle, wenn es um einen neuen Job im neuen Land geht. Der Integration Point befindet sich im ersten Obergeschoss der Agentur für Arbeit in der Werner-Bock-Straße 8, Bielefeld. Im Wartebereich warten viele Flüchtlinge auf Hilfe. Sie geben ihre Daten in der Hoffnung an, dass sie schnellstmöglich Hilfe bekommen. Alle haben sie ein Ziel: Sie wollen arbeiten.
Wie prekär die Lage für Flüchtlinge in Deutschland und Europa im Allgemeinen ist, zeigt die Tatsache, dass selbst gut ausgebildete Männer und Frauen keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben, da das Asylantragsverfahren zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Einen an der Universität Paderborn in Chemie promovierten Syrer, der bis zum Ausbruch des Krieges wieder in sein Land zurückkehrte, um anschließend wieder nach Deutschland zu fliehen, trifft diese Situation genauso wie einen aus einem kleinen Dorf stammenden Somalier, dessen Dialekt hierzulande niemand spricht, weswegen er ganz auf sich gestellt ist. Viele der Flüchtlinge denken bereits über die Rückkehr in ihr Heimatland nach – obwohl ihnen dort Hunger, Armut oder sogar der Tod drohen. Jutta Küster, Journalistin und ehrenamtliche Helferin in verschiedenen Flüchtlingsunterkünften, klagt stellvertretend für und gemeinsam mit Flüchtlingen ihr Leid. „Von Analphabeten bis zu Philosophieprofessoren sind alle Bildungsniveaus unter den Flüchtlingen vertreten“, sagt die Ehrenamtlerin. Eines haben alle gemeinsam: Sie sitzen in ihren Unterkünften, die sich wie ein Gefängnis anfühlen, und warten. Sie warten darauf, dass sie endlich eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Sie warten darauf, dass sie endlich arbeiten können. Sie warten darauf, dass es endlich Abwechslung im grauen Alltag der Beschäftigungslosigkeit gibt. Sie warten darauf, dass ihnen endlich jemand zuhört.
An sich geht es in den Unterkünften friedlich zu, wie einer der Flüchtlinge berichtet. Jedoch fällt irgendwann allen die Decke auf den Kopf, weshalb es zu Auseinandersetzungen kommt. Als Lagerkoller könnte man diese Situation wohl bezeichnen. Schließlich müssen sich mehrere Menschen eine kleine Wohnfläche teilen. Dass es da zu Konflikten kommt, ist wohl wenig verwunderlich. Dabei wollen die Männer und Frauen einfach nur arbeiten – auch um ihre Sprache zu verbessern. Denn da sind sich alle einig: Hätten sie erst ein mal einen Job, hätten sie durch den sprachlichen Austausch mit Kollegen bessere Möglichkeiten, ihr Deutsch zu verbessern. Die 100 Stunden Deutschunterricht reichen einfach nicht aus, um eine Sprache komplett beherrschen zu können. In den Unterkünften selbst sprechen viele Flüchtlinge ihre Landessprache oder Englisch – auch da kommt Deutsch einfach zu kurz. Das liegt allerdings nicht daran, dass sie die hiesige Sprache nicht lernen wollen, sondern es liegt vielmehr daran, dass sie nicht genügend Möglichkeiten bekommen, sich in der Sprache zu üben.
Der Integration Point stellt eine „zentrale Stelle für die Art und Weise, wie das Zusammenlebend von Flüchtlingen und Einheimischen in den nächsten Jahren gestaltet wird, dar“, betont Annelie Buntenbach, die Vorsitzende des Verwaltungsrates der Bundesagentur für Arbeit (BA). Er kann als eine Art Nothilfe gesehen werden. Es geht um mittel- und  langfristige Integration. Buntenbach betont, dass wir jetzt aktiv werden müssen. Der Integration Point soll zudem eine schnelle Möglichkeit zum Spracherwerb bieten. Ob und wie das gelingt, wird sich zeigen. So wie es momentan läuft, kann es jedenfalls nicht weitergehen, findet nicht nur Jutta Küster. Wichtig ist eine gute Aus- und Weiterbildung sowie Arbeit für die Flüchtlinge, damit man von gelungener Integration sprechen kann. Dazu ist jedoch eine ganze Reihe von Schritten und Maßnahmen nötig, weiß auch Annelie Buntenbach, die außerdem Mitglied im Geschäftsführenden Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes ist. Es geht darum, dass sowohl Neuankömmlinge als auch diejenigen, die sich bereits eine längere Zeit in Deutschland aufhalten, bestmöglich unterstützt werden. Der Integration Point ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Allerdings müssen alle Hand in Hand zusammenarbeiten, damit dieses Projekt mit Erfolg gekrönt wird. Besser zuhören, effektiver arbeiten, weniger Bürokratie, bessere Sprachförderung und Beschäftigung sind die zentralen Schlagworte, damit das Vorhaben Integration gelingt. So kann Deutschland weiter wachsen und durch Vielfalt und Farbe nur besser werden.

BU (v. l.): Ingo Nürnberger, Bielefelder Sozialdezernent, Christian König, Bereichsleiter der Arbeitsagentur Ahlen-Münster, Thomas Richter, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Bielefeld, Rainer Radloff, Geschäftsführer des Jobcenters Arbeitplus Bielefeld,  Annelie Buntenbach, Mitglied im Geschäftsführenden Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes und seit Mitte 2015 Vorsitzende des Verwaltungsrates der Bundesagentur für Arbeit (BA) und Jutta Küster, Journalistin und ehrenamtliche Helferin, stehen mit Flüchtlingen vor der Agentur für Arbeit in Bielefeld.

Foto: Melissa Petring
Text: Melissa Petring