Auf den Spuren des Urknalls

unibibWolfgang Unger leitet Emmy-Noether-Nachwuchsforschergruppe für die Theoretische Physik

Bielefeld. Was ist kurz nach dem Urknall im frühen Universum passiert? Welche Eigenschaften hatte Materie in der ersten Sekunde? Mit diesen Fragen beschäftigen sich theoretische Physiker. Die Quantenchromodynamik (QCD) beschreibt, was die Atomkerne im Inneren zusammenhält und wie starke Wechselwirkungen das Innere der Kerne beeinflussen.

Eine neue Nachwuchsforschergruppe an der Universität Bielefeld, geleitet vom theoretischen Physiker Dr. Wolfgang Unger, untersucht, wie sich Materie unter extremer Temperatur und extremer Dichte verhält. Ungers Motivation ist es zu verstehen, wie sich Kernmaterie konkret in die Form von Materie umwandelt, die es zu Anfang des Universums gegeben hat.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert Wolfgang Unger als exzellenten Nachwuchsforscher für fünf Jahre im Emmy-Noether-Programm. Die Kernmaterie besteht aus Neutronen und Protonen. Diese bestehen wiederum aus noch kleineren Teilchen: Quarks und Gluonen. Physiker weltweit interessiert es, wie sich diese kleinsten Teilchen gegenseitig beeinflussen, wie ihre Wechselwirkung aussieht. Wer weiß, wie diese Wechselwirkung funktioniert, der kann auch verstehen, woher Materie kommt.

„Was uns interessiert ist, unter welchen Bedingungen Quarks und Gluonen nicht mehr in Protonen und Neutronen gebunden sind, sondern sich sozusagen frei bewegen“, umschreibt Unger sein Forschungsvorhaben. Die starke Kraft entfaltet eine komplexe Dynamik, was dazu führt, dass sich Quarks nicht als freie Teilchen beobachten lassen. Unter zwei Bedingungen aber bewegen sich Quarks frei: bei extrem hoher Temperatur oder bei extremer Dichte der Masse durch Komprimieren.

Bei Ersterem werden Neutronen und Protonen auf eine Temperatur von 10 hoch 12 Grad Celsius erhitzt – die Temperatur, die eine Sekunde nach dem Urknall vor 14 bis 15 Millionen Jahren geherrscht hat, als Materie einen anderen Zustand hatte: das so genannte Quark-Gluon-Plasma. Aus dieser Materie entwickelten sich dann die ersten festen Bestandteile – wie Klümpchen in einer Ursuppe.

Wolfgang Unger will nun erforschen, was bei den Phasenübergängen von flüssig zu fest geschieht. Eine zweite Möglichkeit Quarks als freie Teilchen zu beobachten ist, eine sehr hohe Dichte zu erzeugen, so dass sich Protonen und Neutronen überlappen – eine Dichte, wie sie in Neutronensternen vorkommt. Wie sich die Umwandlung des Quark-Gluon-Plasmas unter bestimmten Bedingungen verändert, lässt sich mit Wasser vergleichen. Bei normalem Luftdruck kocht Wasser bei 100 Grad Celsius, das Wasser ändert seinen Aggregatzustand von flüssig in gasförmig.

Nimmt man den Wassertopf aber mit auf einen Berggipfel, lässt die geringere Dichte das Wasser schneller kochen. „So verhält es sich auch mit der Kernmaterie. Wir wollen die Abhängigkeit des Phasenübergangs von der Dichte verstehen“, sagt Wolfgang Unger. Um ein solches Quark-Gluon-Plasma zu erzeugen, wird in großen Teilchenbeschleunigern experimentiert. Hier werden etwa Goldatomkerne zur Kollision gebracht, wobei ein heißer
Feuerball entsteht. Ein echter Phasenübergang, sagt Unger, sei aber bislang noch nicht beobachtet worden. Ob es ihn gibt, versuchen theoretische Physiker mit Simulationen der QCD auf leistungsstarken Computern herauszufinden.

„Bislang gibt es Simulationen für verschwindende Dichte, aber nicht für endliche Dichte von Kernmaterie“, sagt Unger. „Meine Methode erlaubt, Simulationen bei Dichten größer Null durchzuführen.“ Ungers Plan ist es, in den kommenden Jahren mit der Forschungsgruppe seine Methode weiter auszuarbeiten. Ungers Zugang sei neu und die Methode vielversprechend, betont Professor Dr. Edwin Laermann von der Fakultät für Physik an der Universität Bielefeld.

Das Thema von Wolfgang Ungers Forschungsgruppe lautet „Gitter QCD bei starker Kopplung“. Das Thema begleitet den Wissenschaftler (Jahrgang 1980) bereits seit seiner Studienzeit in Heidelberg. 2010 promovierte er an der Universität Bielefeld. Für die Dissertation erhielt er den Dissertationspreis der Universitätsgesellschaft. Danach arbeitete Unger in Zürich (Schweiz) und Frankfurt. Jetzt ist er wieder in Bielefeld. „Ich schätze das Umfeld in der Arbeitsgruppe Theoretische Hochenergiephysik“, sagt Unger. Es gebe nicht viele Universitäten, an denen er ein solch spezielles Thema realisieren kann. „An Wolfgang Ungers Fragestellungen und Forschungsergebnissen sind wir sehr interessiert“, sagt Edwin Laermann und räumt ihnen eine große Bedeutung ein.

Mit dem Emmy-Noether-Programm unterstützt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) exzellente junge Forscher, sich früh in ihrer wissenschaftlichen Karriere für eine Führungsposition in Wissenschaft, Forschung und Lehre zu qualifizieren. Das fächerübergreifende Programm ermöglicht den Aufbau einer eigenen Forschungsgruppe mit Doktoranden und wissenschaftlichen Mitarbeitern. Die DFG fördert die Nachwuchsforscher für fünf Jahre.

Foto: Dr. Wolfgang Unger kehrt mit einer hoch dotierten DFG-Förderung zurück nach Bielefeld; ©Universität Bielefeld